Buch Oder Computer - Modern Oder Klassisch
von:
Peter Hessheimer
1. Einleitung
Man stelle sich folgende Situation vor: 2 Fahrgäste sitzen
in der Münchner S-Bahn. Der Eine liest eine herkömmliche Tageszeitung,
der
Andere ein sogenanntes Ebook auf seinem Handheld PC. Der Fahrgast mit der
Zeitung kämpft beim Umblättern mit dem widerspenstigen
Papier, während der
andere Fahrgast sich häufig die Augen reibt. Nun stellt man sich die Frage mit
wem von beiden möchten Sie tauschen.
Welche Vorteile bieten mir die
sogenannten neuen Medien gegenüber den klassischen? Oder warum sollte ich meine
Zeitungsartikel künftig
in der Online - Ausgabe lesen? Um eine Entscheidung
zu treffen, betrachten wir erstmal allgemein wie der Mensch Texte liest und
versteht.
2. Lesen und Verstehen von Texten
Während eines 10 - semestrigen
Studiums verbringt der Otto - Normal - Student die meiste Zeit mit dem Lesen von
wissenschaftlicher Literatur.
Dabei lassen sich 4 verschiedene Arten
unterscheiden, wie man einen Text lesen kann:
· Unter
kursorischem Lesen versteht man ein schnelles flüchtiges Lesen,
das einem hilft "einen kurzen Einblick in den Inhalt
eines Buches oder eines
Kapitels zu bekommen". Es geht nicht um das Was, sondern um das
Worüber.
· "Unter selektivem Lesen
versteht man das Lesen eines Textes unter bestimmten Gesichtspunkten."
z.B.
liest man nur die Kapitel, deren Überschriften interessant erscheinen.
· Unter vergleichendem Lesen versteht
man "ein gründliches Studieren einzelner Kapitel verschiedener Texte, die sich
mit der
gleichen oder einer ähnlichen Problematik unter verschiedenen
Gesichtspunkten beschäftigen."
· "Beim
studierenden Lesen von Fachliteratur kommt es darauf an, sich
die Inhalte möglichst gut einzuprägen." Dabei geht es
vor allem um das
Verstehen der gelesenen Texte, denn nur das Verstandene kann gelernt werden.
Quelle: http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/LERNTECHNIK/Lesen.shtml,
Stand: 10.12.2003
Stellt sich nun die Frage, ob diese Arten des Lesens
oder Lernens auch auf neuere Medien, wie Onlineartikel oder Ebooks angewendet
werden.
Gelten hier die gleichen Regeln wie beim Lesen eines klassischen
Mediums? Um das zu klären, gilt es herauszuarbeiten, wie die Menschen am
Bildschirm lesen.
3. Lesevorgang
Die Antwort auf die Frage, ob die gleichen Regeln gelten,
lautet: Nein. Es gibt einige Punkte, in denen sich die
klassischen Medien von den neuen Medien
wie dem Internet unterscheiden. "Der
wichtigste Aspekt ist das unterschiedliche Leseverhalten am Computer, und in
gedruckten Medien.
Texte am Computer werden meistens nicht "aufmerksam"
gelesen, sondern "nur" gescannt. Das heißt, der Text wird überflogen. Dies liegt
daran, dass die Lesegeschwindigkeit am Computer normalerweise um 30%
geringer ist, da das Lesen am Monitor die Augen mehr anstrengt."
(http://www.devmag.net/projektpflege/webwriting_online_offline_texte.htm,
Stand: 08.12.2003). Deswegen gilt es beim Schreiben und Verfassen
von
Onlinetexten bestimmte Punkte zu beachten, da sie entscheidenden Einfluss auf
die Lesbarkeit (readability) und die Lesegeschwindigkeit
(reading speed)
haben.
3.1. Lesegeschwindigkeit
Die Lesegeschwindigkeit beginnt auf der
elementarsten Ebene: der Buchstaben oder auch Phonemebene (http://www.psychologie.uni-greifswald.de/~entpsycho/downloads_hk/pp1_0203/10lesen.pdf,
Stand: 09.12.2003). Dabei werden aber "nicht einzelne Buchstaben wahrgenommen,
sondern je nach Lesevermögen ca. drei bis zehn auf einmal - mitunter also auch
ganze Wörter." (Michael Meissner, 12.02.2003, http://page.inf.fu-berlin.de/~grau/publizistik/seitepagesite/ausarbeitungen.pdf,
Stand: 09.12.2003). Das Ganze funktioniert folgendermaßen: das Auge "vollzieht
dabei Pendelbewegungen mit kurzen Pausen von einer ¼ Sekunde Länge, in der das
Gehirn das Gelesene verarbeitet." Jeder kennt das Problem, wenn man eine Zeile
oder einen Satz nicht richtig verstanden hat., liest man ihn nochmal.

Quelle:
Skript Digitale Medien, Prof. Dr. Heinrich Hußmann, 2003
Weitere Punkte,
die Einfluss auf die Lesegeschwindigkeit haben:
- Regression
("Rückwärtsspringen") auf bereits Gelesenes. "Der Blick springt oft
schon in der gleichen Zeile mehrfach zu bereits Gelesenem zurück.
Dies ist
meist ein Zeichen mangelnder Konzentration und ist für einen zügigen Lesefluss
äußerst hinderlich. Man kann gegen die Regression dadurch
angehen, dass man
den Text der bereits gelesenen Zeilen durch ein Stück festes Papier abdeckt",
was online schwierig ist.
(http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/LERNTECHNIK/Lesen.shtml,
Stand: 10.12.2003)
- "Stummes Mitsprechen ("Subvokalisieren")
bzw. das laute Lesen ist für die Steigerung der
Lesegeschwindigkeit
hinderlich, da Auge und Gehirn schneller als die Sprechwerkzeuge
arbeiten."
(http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/LERNTECHNIK/Lesen.shtml,
Stand: 10.12.2003)
- "Visuelle Abschweifungen sind
besonders zeitraubend, weil das Auge erst wieder den Anschlusspunkt suchen muss
und ihn in vielen Fällen nicht
auf Anhieb findet, sondern einige Wörter oder
Zeilen nochmals lesen muss." (http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/LERNTECHNIK/Lesen.shtml,
Stand: 10.12.2003).
Hierbei gilt also bei Onlinetexten, die Fenster mit
Graphik oder anderen Dingen nicht zu überladen.
3.2. Lesbarkeit
Um die Lesegeschwindigkeit und vorallem die Lesbarkeit
von Onlinetexten zu verbessern, müssen noch weitere Aspekte die Einfluss auf
eben diese
haben, beachtet werden.
3.2.1 Textbreite
"Je breiter die Zeile ist, desto
häufiger müssen Leser zurückblicken. Aber auch zu kurz geratene
Zeilen
erschweren das Textverständnis - durch schnelle Bewegungen ermüdet das
Auge zudem schneller."
Um z.B. die richtige Zeilenlänge zu ermitteln gibt es
eine Formel, die sog. "Arnoldschen Formel":
O = abc mal
1,5
O = Optimale Zeilenbreite
3.2.2 Zeilenabstand und Schriftgrösse
Auch ein zu enger
Zeilenabstand oder ein zu klein gewählter Schriftgrad haben einen negativen
Einfluss auf die Lesbarkeit eines Textes.
3.2.3 Grundgedanke eines Textes
In Büchern oder
Geschichten "kommt der wichtigste Teil der Botschaft ans Ende, bei Online Texten
ist dies anders zu handhaben. Die wichtigsten
Teile müssen in den ersten
Absatz, und sollten auch noch hervorgehoben werden." (http://www.devmag.net/projektpflege/webwriting_online_offline_texte.htm,
Stand: 08.12.2003)
3.2.4 Textlänge
Anhand wissenschaftlicher Studien hat
man herausgefunden, dass die Menschen am Bildschirm 25% langsamer lesen und es
sie auch sehr anstrengt.
Deswegen sollten Onlinetexte mindestens halb so
kurz wie die entsprechenden Druckvarianten gehalten werden. (http://www.cardamon.de/pdf/web_texte.pdf,
Stand: 11.12.2003)
3.2.5 Textstruktur
Ein guter Text muss von Leser
überflogen werden können. Deswegen sollten der Text gut strukturiert werden,
d.h. es sollten Überschriften, Teilüberschriften, hervorgehobene Wörter oder
prägnante Hyperlinks vorhanden sein (http://www.cardamon.de/pdf/web_texte.pdf,
Stand: 11.12.2003). Dabei sollte aber bei den Links darauf geachtet werden, dass
es nicht zu viele werden. "Viele Links im Fließtext stören die Lesbarkeit
(Readability) und erschweren die Konzentration (Aufmerksamkeitsfokus)."(http://www.web-blog.net/comments/P30_0_1_15/,
Stand: 13.12.2003). Der Text sollte auch durch Absätze und Einrückungen gut
lesbar gemacht werden.
3.2.6 Schriftart, Schriftgröße und -farbe
Die
Schriftgröße sollte der Schriftart und der Distanz zum Medium angepasst sein.
Dem User sollte die Möglichkeit überlassen bleiben, den Schriftgrad selber
einzustellen. Auch die Schriftart sollte ohne viel Anstrengung am Bildschirm gut
lesbar sein. "Im Allgemeinen gelten Schriften mit Serifen wie Times aufgrund
ihrer größeren Formenvielfalt als besser lesbar." (http://www.wk.fu-berlin.de/Reader/Lesbar&Typograph.htm
, Stand: 11.12.2003). Ist die Schriftgröße aber zu klein, sollten serifenlose
Schriften wie Arial und Helvetica verwendet werden. "Gerade Arial ist aber bei
kleiner Schrift auch nicht sonderlich gut lesbar, da viele Buchstaben ein sehr
enges Schriftbild mit dünner Strichstärke haben. Der speziell fürs Web
entwickelte Font Verdana, in dem auch die Seiten von ergo-online gesetzt sind,
eignet sich da wesentlich besser. " (http://www.wk.fu-berlin.de/Reader/Lesbar&Typograph.htm,
Stand: 11.12.2003). Im Falle der Schiftfarbe muss auf folgendes geachtet werden:
Zwischen Text und Hintergrund sollte ein hoher Kontrast bestehen. Das beste
Ergebnis erzielt dabei mit der "Positivdarstellung", d.h. schwarzer Text auf
weissem Hintergrund (wie bei diesem Dokument). Es gibt einige Farbkombinationen,
die man aufgrund der Farbwahrnehmung des menschlichen Auges tunlichst vermeiden
sollte. Dazu gehören:
- Blau auf Schwarz

- Rot auf
Schwarz

-
Gelb auf Weiss

- Blau auf Rot

Quelle: http://www.wk.fu-berlin.de/Reader/Lesbar&Typograph.htm,
Stand: 11.12.2003)
3. Fazit
Zurück zu unserem Beispiel aus der Einleitung, für wen sie sich
würden entscheiden würden. Schwer zu sagen, denn beide Medien haben sowohl
positive
als auch negative Aspekte. Das Lesen am Bildschirm ist für die
Informationssuche oder um sich einen kurzen Überblick über ein Thema zu
verschaffen
sehr gut geeignet. Die klassischen Medien dagegen bieten z.B.
den Vorteil tiefer in eine Materie einzusteigen und sich Spezialwissen
anzueignen.
Bei Onlinetexten müssen vor allem die oben genannten Richtlinien
hinreichend erfüllt werden, da sonst das Lesen sehr anstrengend, und irgendwann
abgebrochen wird. Abschliessend lässt sich sagen, dass sowohl das Lesen am
Computer als auch das eines Buch oder einer Tageszeitung Vor- und Nachteile
besitzen.
Literaturverzeichnis
Skript Digitale Medien, Prof. Dr. Heinrich Hußmann,
2003
Onlineverzeichnis
http://edoc.hu-berlin.de/e_rzm/18/pirr-uwe-1999-08-01-b/PDF/7.pdf,
Stand: 09.12.2003
http://friedrichrost.de/tu/lesen.pdf,
Stand: 10.12.2003
http://rnvs.informatik.tu-chemnitz.de/proseminare/www01/doku/usability/lesen.html,
Stand: 10.12.2003
Michael Meissner, 12.02.2003, http://page.inf.fu-berlin.de/~grau/publizistik/seitepagesite/ausarbeitungen.pdf,
Stand: 09.12.2003
http://www.cardamon.de/pdf/web_texte.pdf,
Stand: 11.12.2003
http://www.devmag.net/projektpflege/webwriting_online_offline_texte.htm,
Stand: 08.12.2003
http://www.etuxx.com/web_schreiben.html,
Stand: 09.12.2003
http://www.lehrerfortbildung-bw.de/faecher/deutsch/bs/schreiben/lesbarkeit/ansicht/kapitel2a_lesbar/sld001.htm,
Stand: 10.12.2003
http://www.psychologie.uni-greifswald.de/~entpsycho/downloads_hk/pp1_0203/10lesen.pdf,
Stand: 09.12.2003
http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/LERNTECHNIK/Lesen.shtml,
Stand: 10.12.2003
http://www.thomasgransow.de/Arbeitstechniken/Lesen.htm,
Stand: 09.12.2003
http://www.tu-dresden.de/sulifg/daf/fumedien/kompetenz2.htm,
Stand: 09.12.2003
http://www.usability.ch/Alertbox/20020819.htm,
Stand: 08.12.2003
http://www.usability.ch/Alertbox/20021223.htm,
Stand: 08.12.2003
http://www.useit.com/,
Stand: 08.12.2003
http://www.useit.com/alertbox/9611.html,
Stand: 08.12.2003
http://www.useit.com/alertbox/9703b.html,
Stand: 08.12.2003
http://www.web-blog.net/comments/P30_0_1_15/,
Stand: 13.12.2003
http://www.winklerverlag.de/verlag/v48-5x/v49-3x/v49-3-00.pdf,
Stand: 09.12.2003
http://www.wk.fu-berlin.de/Reader/Lesbar&Typograph.htm,
Stand: 11.12.2003
http://visor.unibe.ch/media/summer98/2505b.htm#Resultate,
Stand: 09.12.2003