erstellt: 15.12.04
Diverse Studien und Experimente haben gezeigt, dass unter bestimmten Umständen Betrachter nicht in der Lage waren, zum Teil sehr große Änderungen zwischen zwei ähnlichen Bildern zu erkennen. Dieses Phänomen wird in der Literatur als „Change Blindness“, oder auch Veränderungsblindheit bezeichnet. Der Begriff beschreibt das verschlechterte Bemerken von Änderungen in unserer Umgebung, die während einer Unterbrechung der visuellen Wahrnehmung stattgefunden haben. Solche Unterbrechung können Sakkaden (Blicksprünge), Lidschläge, Blinzeln, Maskierungen, Filmschnitte oder aber auch andere Ereignisse sein. Hat man die Veränderung jedoch einmal erkannt, ist sie perfekt sichtbar.
„Die subjektive Empfindung, dass unsere visuelle Wahrnehmung der
Welt stabil und reich an Details ist, scheint auf Grund experimenteller
Befunde nicht der realen Leistung unseres Wahrnehmungssystems zu
entsprechen.“ (2)
Eine der häufigsten Erklärung für das Phänomen der
Change Blindness ist, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils
nur eine sehr eingeschränkte Repräsentation unserer Umwelt
haben.
Unser Gehirn ist überfordert Änderungen während einer
Sakkade, ruckartigen Augenbewegung, wahrzunehmen. Das heißt, dass
nur noch das Gedächtnis letztendlich bleibt, um die Änderung
zu erkennen.
In einem Experiment zur Veränderungsblindheit wurden Testpersonen
jeweils ein Original und ein verändertes Bild gezeigt, die durch
einen weißen Bildschirm getrennt wurden. In 50% der Fälle
wurde das Bild verändert. Die Testperson sollte nun jeweils
beurteilen, ob eine Veränderung stattgefunden hat, oder nicht.
Für die Testpersonen war es kein Problem die Änderungen zu
erkennen, wenn die Bilder direkt aufeinander folgten. Durch eine
Unterbrechung, einen leeren Bildschirm von 80ms, wurde das Erkennen von
Änderungen erheblich erschwert. Erst nach mehrfacher Wiederholung
wurde den Betrachtern die Veränderung bewusst.
Ein weiteres Phänomen in diesem Zusammenhang ist die
"Inattentional Blindness", Blindheit durch Unaufmerksamkeit.
„Wir sind zwar überzeugt, bei geöffneten Augen alles
gleichzeitig zu sehen, doch ist das nur eine Illusion“. (3)
Veränderungen, denen bewusst mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird,
werden leichter wahrgenommen, wohingegen Veränderungen, die im
danebenliegenden Bereich stattfinden, nur sehr schwer wahrgenommen
werden. Unser Gehirn kann unmöglich alle visuellen Eindrücke
verarbeiten, mit Hilfe der Aufmerksamkeit jedoch bewusst einen kleinen
Teil seiner Umgebung wahrnehmen. Die Kapazität dieser
Repräsentation ist jedoch sehr begrenzt.
An der Ludwig-Maximilians-Universität wurde die
Unaufmerksamkeitsblindheit mit einem Experiment belegt. Dabei musste
Probanten sich einen Film anschauen, in dem sich Studenten einen Ball
zuwerfen. Sie sollten dabei zählen, wie oft das weiße Team
den Ball fängt. Im Hintergrund erschien dabei eine Frau im
schwarzen Gorilla-Kostüm, die sich auf ihren Brustkorb trommelte,
und wieder aus dem Bild verschwand. Über 50% der Probanten haben
den Gorilla nicht bemerkt.
In den letzten Jahren gab es eine Vielzahl an Studien und
Experimenten die versucht haben eine Erklärung für dieses
Phänomen zu finden. Dabei haben sich ganz verschiedene Methoden
entwickelt um die Veränderungsblindheit zu erzeugen. Im
Allgemeinen bestehen jedoch die Experimente daraus, dass einem
Betrachter anfangs ein Stimulus (z.B. ein Bild) gezeigt wird, dieses
während einer Maskierung verändert wird (z.B. durch einen
„blank screen“) und abschließend das Ergebnis ausgewertet wird.
Für die Maskierung gibt es die Sakkade-Kontingente Technik, bei
der das neue Bild genau während einer Augenbewegung eingefügt
wird. Bei der simulierten Sakkade-Kontingente Technik werden die
Blicksprünge durch aufblitzen oder Einfügen eines
weißen oder schwarzen Bildschirms erzeugt. Manchmal wird die
Augenbewegung aber auch durch Einfügen von Artefakten, Film
schnitt, oder bewegten Bildern hervorgerufen.
Bei der Darstellung der Veränderung gibt es zwei Methoden. Zum
einen der dynamische Austausch, d.h. in das Original Bild wird die
Veränderung langsam eingeblendet, zum anderen der komplette
Austausch der Bilder.
Entscheidend sind auch noch die Konzept der
Veränderung oder des Austausches von Objekten eines Bildes. Bei
der Veränderung wird zum Beispiel die Farbe eines Objektes
geändert, wo hingegen beim Austausch die Veränderung auf dem
Weglassen oder Hinzufügen von Objekten im Bild beruht.
Bei all diesen Varianten wurden große Veränderungen
zwischen den Bildern von den Testpersonen nie beim ersten mal entdeckt.
Das ganze Schema beruht auf der sichtbaren Veränderung und das,
was sich der Betrachter an Informationen über das Bild behalten
konnte. Unter normalen Bedingungen konzentriert sich das Blickfeld des
Menschen auf das Objekt, das sich verändert. Das Gehirn bemerkt,
dass sich was geändert hat und wo sich das geändert hat,
jedoch kann es nicht genau spezifizieren was sich verändert hat.
Wird diese Veränderung jetzt noch durch eine Unterbrechung
maskiert, weiß das Gehirn zwar, dass sich was geändert hat,
aber weder wo noch was sich verändert hat. Das Gehirn muss nun das
neue Bild mit den Informationen des alten Bildes vergleichen. Wobei
diese Informationen, aufgrund der Fähigkeit des
Kurzzeitgedächtnisses, nur sehr begrenzt sind. Der Betrachter muss
in dem Bild suchen, was sich verändert haben könnte.
Bei einer dynamischen Veränderung zwischen Bilder besteht das
Problem, dass die Änderung zu langsam vor sich geht. Das Gehirn
weiß nicht, dass sich etwas geändert hat. Wiederum muss der
Betrachter versuchen, das jetzige Bild mit den Informationen aus dem
Kurzzeitgedächtnis zu vergleichen.
Aufgrund dieses vielfältigen Themas haben sich verschiedene Theorien entwickelt um Change Blindness zu erklären. Sie versuchen alle einen bestimmten Teil der Wahrnehmung des Gehirn und des Gedächtnisses zu erklären. Die meist genutzte Annahme ist die des Überschreibens.
Überschreiben. Die Theorie geht davon aus, dass neue visuelle Informationen die alten einfach ersetzen. Das was übrig bleibt ist nur ein abstraktes Abbild des ersten gespeicherten Bildes. Dieses ist sehr begrenzt, da sich das Gehirn keinesfalls alle Informationen merken kann, sonder lediglich die, auf die es fokussiert war. Zu einer erfolgreichen Erkennung der Veränderung kommt es dann, wenn die im Kurzzeitgedächtnis gespeicherte begrenzte Repräsentation des alten Bildes, genau die Veränderung im neuen Bild wiedergibt. Diese Theorie passt zu den meisten Ergebnissen der Veränderungsblindheit.
Erste Eindrücke. Der Erste Eindruck ist der wichtigste und auch das was wir behalten. Das bedeutet, dass wir auch beim veränderten Bild zu erst davon ausgehen, dass sich nichts geändert hat. Die Informationen über das zweite Bild werden nicht gespeichert, und können deswegen auch nicht verglichen werden.
Nichts wird gespeichert. Keines der Bilder wird gespeichert, sondern wir merken uns nur die erkannten Informationen auf dem Bild, wenn dieses verschwunden ist. Auch beim veränderten Bild werden nur die bekannten Informationen über das Bild im Gedächtnis abgespeichert. Der Vergleich erfolgt deshalb nicht über das, was gesehen wurde, sondern das, was auf dem Bild erkannt wurde.
Alles wird gespeichert, jedoch nichts verglichen. Die Annahme dieser Theorie ist, dass sich Menschen verschiedene Bilder und Objekte behalten können, aber ihnen Änderungen zwischen ähnlichen Objekten nicht bewusst werden. Erst, wenn auf den Unterschied aufmerksam gemacht wurde, wird sich der Mensch dessen bewusst.
Kombination besondere Merkmale. Diese Theorie besagt, dass die Probanten nicht in der Lage sind zwei Informationen auseinander zu halten. Dadurch entsteht eine Kombination der markantesten Merkmale beider Bilder, und somit eine Fehlinformation, was es erschwert die Veränderung zu erkennen. Diese Theorie ist sehr umstritten und auch nicht auf jedes Experiment anwendbar, da diese im Allgemeinen nur bei nicht widersprüchlichen Bildern funktioniert.
Alles in Allem gibt es keine universelle Theorie für die Erklärung aller Erkenntnisse. Zwar können ein paar von ihnen dieses Phänomen halbwegs plausibel erklären, darüber hinaus gibt es jedoch auch noch genug Unklarheiten.
Letztendlich fällt es dem Menschen leichter Veränderungen
zu erkennen, wenn er eine Bewegung wahrnimmt oder aber auch wenn sie im
Zentrum seiner Betrachtung liegen. Zudem ist auch eine gewisse
Aufmerksamkeit erforderlich, jedoch nicht unbedingt notwendig.
Genau diese einzelnen kleinen Informationen ermöglichen dem
Menschen nur das Wichtigste von seiner Umwelt aufzunehmen und zu
beachten. Mit allen Informationen wäre er wahrscheinlich komplett
überfordert.
Quellen: