Apple Lisa - Der erste Personal Computer mit einer Graphischen Benutzeroberfläche

Dominikus Baur 10.12.04

Als sich Ende der Siebziger Jahre langsam die beginnende Ära des Personal Computers abzuzeichnen begann, war es für die meisten Computernutzer unvorstellbar, etwas anderes als eine Kommandozeile zu benutzen, um dem Computer mitzuteilen, was er tun sollte. Die Maus war zwar bereits zehn Jahre zuvor von Douglas Engelbart erfunden worden (mit dem noch etwas gewöhnungsbedürftigen Namen "X-Y position indicator for a display system"), hatte aber noch keinen großen Anklang bei der Käuferschaft (vor allem wegen der fehlenden Anwendungen) gefunden. Der größte Renner auf dem PC-Markt der Siebziger Jahre war daher der Apple II - mit einem saftig grünen Display und dem berühmten blinkenden Cursor.

In diesem goldenen Zeitalter für alle Nerds, als der Computer noch nicht zum Massenmedium mutiert war und außerhalb von Firmen höchstens in Garagen und Kellern von Elektrotechnik- Fans zu finden war, arbeiteten Firmen wie Apple oder Xerox dennoch an einem Weg, den Computer auch für Normalsterbliche bedienbar zu machen, die nicht gewillt waren, seitenweise kryptische Kommandos einzutippen geschweige denn auswendigzulernen. Der Ausweg schien die Graphische Benutzeroberfläche zu sein, die dem Benutzer einen intuitiven Weg bot, mit dem Rechner zu kommunizieren. Erstmals im Xerox Alto zu finden (der zwar schon deutlich kleiner als ein damaliger Supercomputer, aber immer noch so groß wie ein Auto war), trug es nachgewiesener Maßen dazu bei, die Steuerung des Systems deutlich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Xerox setzte die Entwicklung dieser Technologie in seinem legendären PARC fort und brachte zu Beginn der Achtziger Jahre das Star-System heraus, das alle Features vereinte, die auch heute noch in GUIs zu finden sind.

Doch auch bei Apple wurde fleißig an einem Nachfolger des Apple III-Systems (das ein großer kommerzieller Flop war) gearbeitet. Anfang des Jahres 1983 ging das Lisa-System (je nach Auslegung Local Integrated Software Architecture oder die Tochter des Chefentwicklers) an den Start - eine Revolution im Personal Computer-Bereich. Nicht nur besaß es einen der leistungsfähigen (erschwinglichen) Prozessoren der damaligen Zeit (den Motorola 68000), sondern war auch sonst mit einer exorbitant effizienten Hardware ausgestattet: Es brachte ein Megabyte Ram mit (das auf bis zu 2MByte erweitert werden konnte), hatte je nach Käuferwunsch eine 5MB oder 10MB-Festplatte, zwei Floppy-Laufwerke und einen 12-Zoll-Monitor. Aber das erstaunlichste war die Benutzer-Schnittstelle, die nicht mehr nur aus einem blinkenden Cursor bestand, sondern aus WIMP - Windows Icons Menus Pointers. Inspiriert durch die Arbeit von Xerox hatten Steve Jobs und seine Mitarbeiter den Traum verwirklicht und in ein mehr oder weniger kostengünstiges System gesteckt (der Einführungspreis des Lisas betrug knapp 10.000$), welches beinahe zweieinhalb Jahre vor Windows 1.0 erschien, das in seinen Designideen nun von zwei Systemen inspiriert wurde (oder, wie Bill Gates es Steve Jobs gegenüber ausdrückte: 'I think it's more like we both had this rich neighbour named Xerox, and I broke into his house to steal the TV set and found out that you had already stolen it.').

Bei der Entwicklung von Lisa konzentrierten sich die Mitarbeiter von Apple auf die sinnvolle Kombination der neuen Hardware und passender Software und die Effekte, die sich dadurch erzielen ließen.
Die Benutzeroberfläche von Lisa griff auf die Desktop-Metapher zurück, um dem User das Gefühl der Vertrautheit zu vermitteln (die Zielgruppe des Rechners waren auf Grund des Preises vor allem Firmenkunden). Mit Hilfe der Maus (die Apple-typisch nur eine Taste hatte) konnte der Benutzer verschiedene Icons anklicken, um Programme auszuführen oder Menüs herunterklappen zu lassen.
Doch auch der Unterbau der neuen Fenster und Graphiken konnte sich sehen lassen: So war das Betriebssystem mit der Fähigkeit zum pre-emptive multitasking und virtuellem Speichermanagement ausgestattet (Features, die Windows- oder Mac-Systeme erst 15 Jahre später erhielten). Unglücklicherweise gab sich Lisa wegen dieser hochentwickelten Konzepte etwas träge.

Die Vermengung von Anwendungen, GUI und Maus ließ sich durch die sogenannte Lisa Concept Pyramid auf den Punkt bringen:
Die Basis des Systems bildeten die leistungsfähige Hardware und das neue Multitasking-Betriebssystem. Darauf aufbauend ergaben sich neue Möglichkeiten und Techniken der Bedienung wie Menüleisten, Cut&Paste (also Interprozesskommunikation) oder WYSIWYG. An der Spitze fand man Anwendungen wie LisaOffice (s.u.), die von all dem Gebrauch machten.

Lisa Office System war das erste Office-Paket der Computerwelt und wurde zusammen mit dem Lisa Computer und dem Lisa Betriebssystem (das nur einen besseren Startmanager darstellte) ausgeliefert. Enthalten waren die Klassiker wie Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Taschenrechner oder Zeichenprogramm, aber auch die Möglichkeit, Daten mit Hilfe eines "Clipboards" zwischen einzelnen Anwendungen zu transferieren (um beispielsweise Graphiken in einen Text zu kopieren) oder Dateien, die man gelöscht hatte wieder aus dem virtuellen Mülleimer zu fischen.
Dabei waren die eigentlichen Bedienungsgrundlagen des Systems nicht die Programme (wie es seitdem bei jedem GUI der Fall war), sondern die Dokumente, die der Benutzer erstellte. Um ein neues Dokument zu kreieren öffnete man nicht das passende Programm sondern zog ein virtuelles Blatt Papier von dem passenden virtuellen Papierstapel. Lisa erstellte dann ein neues Dokument mit dem aktuellen Datum. Auch konnte der User Dateinamen angeben, die bis zu 63 Zeichen umfassten und dabei rein virtuell waren. Intern hielt das Betriebssystem die Daten unter anderem Namen, so dass auch zwei Dokumente mit gleichem Namen möglich waren.

Aber nicht nur in der Office-Umgebung wurden revolutionäre Konzepte präsentiert, die erst Jahre später wieder in anderen Rechnern zu finden waren. Gerade in einfachsten Beziehungen war Lisa ein äußerst fortschrittlicher Computer:
Lisa hatte kein Icon um den Computer herunterzufahren. Vielmehr gab es eine viel intuitivere Möglichkeit: Man drückte den Power-Schalter. Daraufhin überprüfte Lisa welche Dokumente geöffnet waren, speicherte diese und schaltete den Rechner in einen Low-Power-Modus. Sobald man wieder weiterarbeiten wollte drückte man den Power-Knopf erneut und Lisa stellte den Zustand des Desktops vor dem Ausschalten wieder her.
Gab es einmal Probleme wurde in einen speziellen Diagnose-Modus geschalten, der verschiedene Tests laufen ließ und das Lisa-System wieder auf Vordermann zu bringen versuchte. Doch selbst größere Hardwareausfälle waren kein Problem, da das Dateisystem hochgradig redundant war (begünstigt durch die große Festplatte) und Datenverluste so gut wie nie vorkamen.
Manche Dinge werden einem Lisa-User wahrscheinlich nie besonders aufgefallen sein, sind aber heute kaum mehr in einem System zu finden, trotz ihres großen Komforts:
So konnte man die Zeit einstellen, nach der sich der Bildschirm abschaltete - und dieser ploppte nicht abrupt aus, sondern dimmte sich langsam und sehr augenfreundlich herunter. Auch ließ sich das Gehäuse des Computers ohne Schraubenzieher öffnen und beinahe alle Teile ohne großen Aufwand austauschen. So war das Floppy-Laufwerk beispielsweise mit nur einer Schraube gesichert.

Doch trotz all dieser Vorzüge war der Lisa wohl seiner Zeit ein wenig zu sehr voraus. Nach eher schleppenden Verkäufen der ersten Version und des Nachfolgers Lisa 2 beschloß Apple alle Trümpfe auf den Macintosh zu setzen, der dank des niedrigeren Preises und ähnlichem User-Interface ein riesiger Verkaufserfolg war. Die verbleibenden Lisas wurden mit einem Mac-Emulator ausgestattet und in Macintosh XL umgetauft. Nach zwei Jahren weiterhin stagnierender Verkäufe wurden, so die Legende, die restlichen Lisas auf einer Mülldeponie zur letzten Ruhe gebettet.

Der Apple Lisa war eine Revolution, aber wohl einfach zum falschen Zeitpunkt. Die Benutzerschaft war wohl noch nicht reif für die Unmenge an neuen Features, die teilweise heute noch nicht in allen Betriebssystemen zu finden sind. Dennoch bietet er für jeden Designer von GUI's eine ergiebige Inspirationsquelle und ein Beispiel der gelungenen Balance zwischen Funktionalität und Bedienbarkeit.




Apple Lisa (Quelle: Wikipedia)



Lisa Office 3.1 (Quelle: Volkmar(1998))

Quellen:

Wikipedia: Apple Lisa
Applefritter: Apple Lisa Texts
Craig, David T. (1993): The Legacy of the Apple Lisa Personal Computer: An Outsider's View
Friauf, Volkmar (1998): Apple's Past: Lisa
Lineback, Nathan (2004): Toasty Technology - The GUI Gallery
Stephenson, Neal (1999): In The Beginning Was The Command Line
Tuck, Mike (2001): The real history of the GUI