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Die graphische Benutzeroberfläche von NeXTStep

Die graphische Benutzeroberfläche von NeXTStep

von Michael Bäumel

Einleitung

NeXTStep ist ein auf Mach Kernel und BSD Unix basierendes, objektorientiertes, multitaskingfähiges Computerbetiebssystem das im Jahre 1989 von der NeXT Computer Inc auf den Markt gebracht wurde, zunächst als Betriebssystem für die ebenfalls von NeXT entwickelten, "black boxes" genannten Rechner. Besonderen Ruhm erlangte die spezifische grafische Benutzeroberfläche von NeXTStep, die wegen ihrer technischen Fortschrittlichkeit und Benutzerfreundlichkeit manchen noch heute als ihrer Zeit weit voraus gilt. Worauf sich dieser Ruhm gründet, was die innovativen Ansätze, Eigenheiten und Merkmale dieses grafischen User Interfaces sind, soll nun dieser Aufsatz zu ergründen versuchen.

Geschichte von NeXTStep

Die Entwicklung von NeXTStep wurde bereits Mitte der 80er Jahre begonnen, die erste Marktversion, NeXTSTEP 1.0 wurde 1989 herausgebracht. Während diese Version nur auf den in den NeXT Rechnern verwendeten Prozessoren der Motorola 68000 Familie lief, war die letzte Version 3.3 die 1995 herauskam weitgehend plattformübergreifend einsetzbar. Zu erklären ist das damit dass NeXT in der Zwischenzeit aus Rentabilitätsgründen die Produktion von eigene Rechnern aufgegeben hatte und zur reinen Softwareentwicklung übergegangen war. Auch hatte NeXT in dieser Zeit die NeXTStep-Spezifikation in Zusammenarbeit mit Sun Microsystems zur OpenStep-Spezifikation erweitert. NeXT brachte daraufhin statt der Version 4 von NeXTStep eine OpenStep konforme Version namens OPENSTEP auf den Markt. Sun wiederum entschloss sich jedoch das OpenStep Projekt nicht weiter zu verfolgen, sonder stattdessen die Entwicklung von Java voranzutreiben. Hoch verschuldet wurde NeXT, dessen Gründer Steve Jobs auch zu den Gründern von Apple gehörte, Ende 1996 schließlich von Apple übernommen. Das NeXT Team entwickelte dort auf der Basis der OpenStep-Spezifikation und der alten Versionen des Mac OS das Mac OS X.

Besonderheiten und Features der graphischen Benutzeroberfläche von NeXTStep

Für die Grafikausgabe benutzt NeXTStep Display Postscript, das gemeinsam mit der Firma Adobe entwickelt wurde und eine Erweiterung der Beschreibungssprache Postscript darstellt, das als Ausgabegerät den Monitor und nicht den Drucker benutzt. Dies hat zur Folge, dass eine höhere Ähnlichkeit zwischen Bildschirmdarstellung und Druckausgabe erreicht wird (WYSIWYG). Außerdem enthält NeXTStep umfangreiche Anwendungen und objektorientierte Toolkits, die die Programmierung von grafischen Benutzeroberflächen durch den Einsatz von so genannten Widgets wesentlich erleichtern. So wurde zum Beispiel der erste grafische Webbrowser WorldWideWeb auf einem NeXT Rechner entwickelt und NeXTStep war dadurch auch das erste Betriebssystem für das solch ein grafischer Browser zur Verfügung stand. So lassen sich bei genauerer Betrachtung einige Features und Shortcuts moderner Webbrowser als eigentlich genuine Elemente von NeXTStep identifizieren, sich die erst später auf anderen Betriebssystemen als Eigenheiten der Browser dargestellt haben.

Auch wurde in NeXTStep zum ersten mal ein opakes Dragging von Fenstern realisiert, d.h. beim Verschieben von Fenstern bleiben diese mitsamt ihrem Inhalt sichtbar und werden verschoben. Im Gegensatz dazu war es bei anderen Betriebssystemen lange der Standard dass Fenster beim Verschieben nur mit Hilfe durchsichtiger Konturen angedeutet wurden, sogar auf Maschinen mit wesentlich höherer Rechenkraft als den "black boxes". Dies zeugt von der Leistungsfähigkeit des von NeXT gewählten Ansatzes zur Grafikdarstellung.

Für durchschnittliche User dürften aber eher andere Features von NeXTStep im Vordergrund gestanden haben. Erwähnenswert ist zum einen die Unabhängigkeit von Fenster und Menü. Anders als bei heute gängigen Betriebssystemen sind bei NeXTStep Menüs und Optionen nicht Bestandteil der Kopf- oder Fußleiste des Fensters einer Anwendung, sondern können unabhängig vom Fenster durch den Benutzer im oder auch außerhalb des Bildschirmbereichs platziert werden. Sogar Untermenüs lassen sich einfach abtrennen und separat vom Hauptmenü anordnen. Dabei wird das Konzept des "Active Window" verfolgt, das gerade aktive Programmfenster ist grafisch durch andere Färbung der Kopfleiste gekennzeichnet und nur dessen Menüs sind sichtbar.

Gerade laufende Programme und geöffneten Dateien werden durch Icons am unteren Bildschirmrand dargestellt, eine Idee die sich in stark abgewandelter Form in den grafischen Benutzeroberflächen vieler moderner Betriebssysteme wiederfindet, wo laufende Programme in der Taskleiste als Schaltflächen symbolisiert werden. Bei NeXTStep unterscheiden sich Dateien von Programmen durch eine im Icon symbolisch dargestellte Kopfzeile von den Icons der Programme. Klicken auf das Bild aktiviert das Fenster des Programms bzw. der Datei und dessen Menüs.

Generell kann man sagen, dass NeXTStep auf eine einfache Benutzerführung durch intuitiv verständliche Icons setzt, nicht nur auf Ebene des Desktops (oder wie es in NeXTStep heißt: Workspace Managers) , sondern auch in den Zustandsmenüs, den so genannten inspectors. Dabei wird auf eine Beschriftung der Symbole zugunsten einer eindeutig identifizierbaren Grafik fast vollständig verzichtet.

Das wohl bekannteste und wohl auch innovativste Feature des Desktops ist wahrscheinlich das Dock. Eine Reihe von Icons oft benutzter Programme, üblicherweise an der rechten Bildschirmseite. Das Dock erleichtert den Zugriff auf diese Programme natürlich wesentlich, statt sie umständlich irgendwo auf dem Rechner zu suchen genügt es auf das jeweilige Icon zu klicken. Wiederum ein Konzept, das sich in abgewandelter Form in den Sartmenüs von Windows und Linux wiederfindet, in recht ähnlicher Weise sogar im Dock des OS X von Apple. Standardmäßig enthält das Dock nur den Recycler (dem der Papierkorb in modernen Betriebssystemen entspricht) und das NeXT Symbol, das den File Viewer aktiviert.

Dieses Dateiverwaltungssystem besitzt nun wiederum einige Eigenheiten. Zu einen ist es das einzige Fenster das sich nicht schließen sondern nur minimieren lässt. Zum anderen ist der File Viewer auch besonders benutzerfreundlich gestaltet. Er überlässt dem User die Wahl zwischen drei verschieden Ansichtsmodi, einer Iconansicht der Dateien und Programme, einer Art Baumansicht (der Browsermodus) und einer Listenansicht mit Details wie Dateigröße, Zugriffsrechten und Erstellungsdaten. Aus heutiger Sicht selbstverständlich, findet man ähnliches doch in jedem bekannten Betriebssystem, damals jedoch eine Neuheit. Besonders hervorzuheben ist hier die Browseransicht, die gegenüber den verbreiteten Baumansichten den Vorteil hat dass sie schnelleren Zugriff auf alle übergeordneten Ordner bietet, da untergeordnete Dateien und Ordner stets in einer neuen Spalte mit eigener Scrollbar geöffnet werden.

Sehr intuitiv ist auch die Darstellung des Dateipfades als Folge von Icons. Der Dateipfad als String kann einfach über einen Inspector abgefragt werden.

Am bemerkenswertesten im File Viewer ist wahrscheinlich das Shelf, eine Ablage in der sich Dateien Ordner und Programme gleichermaßen vormerken lassen. Dies erhöht nicht nur die Zugriffszeiten, es erlaubt spezifisch gewünschte Daten und Programme zusammenzutragen und erleichtert z.B. das Kopieren und Verschieben. Im Shelf werden jedoch nur Icons für die einzelnen Dateien und Ordner abgelegt, Referenzen also. Erst wenn das jeweilige Symbol vom Benutzer z.B. aus dem Shelf in einen anderen Ordner gezogen wird, wird die eigentliche Datei kopiert, bzw. verschoben.

NeXTStep bietet darüber hinaus einige andere Funktionalität, wie systemweites Drag and Drop von beinahe allen Dateien Ordnern und Programmen, die heute Standard in allen zeitgemäßen Benutzeroberflächen sind.

Auch Sicherheitsvorkehrungen gegen ungewollten Datenverlust wie z.B. Window Modification Messages sind aus heutigen Betriebssystemen nicht mehr wegzudenken. Leider haben sich andere innovative Features von NeXTStep gegen Benutzerfehler nicht durchgesetzt, wie etwa dass das Schließen eines Fensters nicht automatisch auch das damit assoziierte Programm beendet. Eine Eigenheit die wahrscheinlich schon manchen User zur Verzweiflung getrieben hat.

Schluss

Es lässt sich wohl eindeutig erkennen wie NeXTStep seine Spuren in der Welt der Betriebssysteme und Grafischen Benutzeroberflächen hinterlassen hat. Ob es sich nun um OS X handelt das ja teilweise direkt aus diesem hervorgegangen ist, dessen Dock eine Mischung aus Dock und Shelf von NeXTStep handelt und das zur grafischen Darstellung das PDF Format (welches aus PostScript hervorgegangen war) benutzt, ob es um die Features geht die in der einen oder anderen Form in einem anderen Betriebssystem oder Webbrowser übernommen wurden oder ob es um sich die Widgets und Tools eine objektorientierten Programmiersprache wie Java dreht um in kurzer Zeit eine grafisches User Interface zu kreieren. Der Einfluss ist überall spürbar. Viel interessanter ist es aber die Konzepte und Innovationen zu betrachten die eben nicht oder nur in abgeänderter Form andernorts auftauchen, und diese als Anstoß und Inspiration für zukünftige Entwicklungen zu nehmen.

Quellen:

www.osdata.com

Wayne Carlson - A Critical History of Computer Graphics and Animation

Thomas McCarthy - Introduction to NEXTSTEP

www.osnews.com

www.radsoft.net

Wikipedia

FOLDOC