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Persuasive Technology

von Frank Eisensehr

Inhalt

I. Begriffsklärung

II. Anwendungbereiche

III. Glaubwürdigkeit

IV. Formen von Persuasion durch Computer

V. Ethische Kritik

VI. Zusammenfassung

VII. Quellen

I. Begriffsklärung

Obwohl im Forschungsfeld der HCI die Bedienbarkeit und Benutzerfreundlichkeit von User Interfaces ausführlich erörtert wird, bleibt ein Aspekt der Anwendungsschnittstellen hierbei nicht aussen vor: der Gedanke des Anbieters, der dahintersteht, und damit unmittelbar verbunden dessen Ziele. Anwendungen haben oftmals die Aufgabe, etwas beim User zu bewirken, sei es eine Einstellung oder Beurteilung zu ändern oder sie zu einer unmittelbaren Handlung zu bewegen. Zusammenfassend kann man diesen Aspekt als "Persuasion" bezeichnen ("to persuade"[englisch] = "überreden"). Für die Beeinflussung des Menschen durch den Computer hat B.J. Fogg, der Pionier in diesem Forschungsgebiet, den Begriff "Captology" geprägt, als Kunstwort, das sich aus dem Ausdruck "computers as persuasive technologies" ableitet.

Technologien, die sich der Persuasion bedienen, bezeichnet man als "persuasive Technologien". Hierzu zählen u.a. Webseiten, Videospiele, Mobiltelefone, Desktop-Software und Virtual Reality. B.J. Fogg unterscheidet dabei fünf grundlegende Arten von Persuasion, die diese Technologien bewirken können:

1. Motivation, etwas zu tun

2. Änderung einer Einstellung

3. Änderung der Weltanschauung

4. Verhaltensänderung

5. Einwilligung

II. Anwendungsbereiche

Ein klassisches Beispiel für eine persuasive Technologie sind Benutzerschnittstellen im e-commerce, wie beispielsweise bei amazon.de. Die Benutzeroberflächen sollen auf sanfte Art und Weise den Benutzer zum Kauf angebotener Produkte bewegen, also auf eine subtile Art "Werbung" für Angebote betreiben.

Daneben gibt es noch zahlreiche Anwendungsgebiete außerhalb der werbetreibenden Wirtschaft. Auch im Bereich der Sicherheit findet man multimediale Anwendungen, die man den persuasiven Technologien zuordnen kann. Auf alcohol101.org findet man beispielsweise eine Simulation, die das Ziel hat, Autofahrer davon zu überzeugen, nicht nach Alkoholkonsum zu fahren. Weiterhin findet an z.B. auf quitnet.com Gesundheitsratgeber für Raucher, im Bereich Umweltschutz auf scorecard.org eine Webseite, die zum Ziel hat, Menschen zu Aktionen für Umweltschutz zu bewegen, u.v.a.

III. Glaubwürdigkeit

Die zentrale Vorraussetzung dafür, dass Persuasion durch eine Technologie stattfinden kann, ist die Glaubwürdigkeit, die sie dem Benutzer vermittelt. Glaubwürdigkeit ist dabei keine objektiv messbare Eigenschaft, die ein Objekt oder eine Person innehat, sondern basiert auf subjektiver Wahrnehmung und wird im Wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt:

- die Wahrheit der Aussagen, die vermittelt wird ("Sachkenntnis")

- die "Vertrauenswürdigkeit" des Kommunikators

Dabei erhöhen folgende Faktoren beim User die Sachkenntnis, die z.B. einer Webseite zugeschrieben wird:

- Deadlinks, Programmier- und Rechtschreibfehler vermeiden

- Sachverstand der Betreiber belegen

- Mangelnde Aktualität

Folgende Faktoren erhöhen die Vertrauenswürdigkeit:

- Quellenverweise in Form von Links auf Seiten, deren Betreiber als Experten wahrgenommen werden

- Offline-Kontaktdaten und persönliche Informationen zu den Betreibern des Angebots angeben

- wenig und subtile Werbung, Pop-Ups vermeiden

Als Elemente die die Unglaubwürdigkeit am meisten fördern, nennt B.J. Frogg, sortiert nach Schädlichkeitsgrad, folgende Punkte:

- Vom Inhalt nicht abgrenzbare Werbung

- Links zu unglaubwürdigen Seiten

- Selten aktualisierte Seiten

- Deadlinks

IV. Formen von Persuasion durch Computer

B.J. Fogg unterschied in seinen Studien drei Arten, auf welche Computertechnologien persuasiv auf den Menschen wirken können: als Werkzeuge oder Instrumente, als Medien oder Simulatoren und als soziale "Akteure". Dabei lassen sich persuasive Technologien in den seltensten Fällen eindeutig einer der Kategorien zuordnen. Meist haben sie Elemente aus verschiedenen der drei Typen und stehen zwischen zwei oder drei von ihnen. Oft wird dies in einem Dreieck graphisch veranschaulicht.

Redet man von einem Computer als Werkzeug oder Instrument, so referiert man damit auf die Eigenschaft und das Vermögen des Computers, den Menschen, der ihn bedient, mit neuen Fähigkeiten auszustatten. Mit Hilfe eines Computers kann man gewisse Aufgaben wesentlich schneller, effizienter und mit einer geringeren Fehleranfälligkeit bewältigen als ohne ihn, beispielsweise komplexe Berechnungen oder das Erstellen von Statistiken. Die Möglichkeit, immense Datenmengen fehlerfrei speichern und wieder abrufen zu können, geht weit über die Fähigkeiten eines menschlichen Gedächtnisses hinaus. Diese Erweiterung seiner Fähigkeiten ist in der Regel jedem Menschen bewußt, der eine Computertechnologie benutzt oder benutzt hat und wird dadurch zu neuen Verhaltensweisen, Einstellungen und Ideen animiert. Das klassische Beispiel für einen Computer als Werkzeug ist ein Taschenrechner (bzw. entsprechende Software), der es dem Nutzer ermöglicht komplexe Berechnungen anzustellen.

Weiterhin können Computer laut Fogg auch als Medien betrachtet werden, die dem Benutzer eine Umwelt simulieren. Dadurch ist es Nutzern möglich, Erfahrungen zu machen, die ohne die entsprechende Computertechnologie im realen Leben für sie so nicht möglich oder zugänglich sind. Da Erfahrungen machen Lernen bedeutet, speziell im beobachtbaren Zusammenspiel von Ursache und Wirkung, und dieses Lernen Einstellungen und Verhalten formt, kann man sagen dass auch Computer als Medien Persuasion beim Menschen bewirken. Klassische Beispiele hierfür sind alle Formen von Virtual Reality Systemen, wie beispielsweise Flugsimulatoren.

Die dritte von Fogg genannte Perspektive beschreibt Computer als soziale Akteure, die mit dem Nutzer zu kommunizieren scheinen, mit der Folge dass dieser eine soziale Beziehung zum Produkt aufbaut, die sich in Wut oder Freude äußern kann. Beispielsweise haben Computer die Möglichkeit, mit Menschen über Sprachimitation zu kommunizieren ("Sie haben Email erhalten."), aber auch einfache Rückmeldungen über Kopiervorgänge o.ä. sind hier zu nennen. Extrembeispiele für Computer als soziale Akteure sind virtuelle Haustiere wie "Tamagochis", deren Besitzer zu diesen oftmals eine emotionale Beziehung als Ersatz für "echte" Haustiere aufbauen, welche als soziale Akteure imitiert werden.

Nun gibt es unter den Computertechnologien nicht nur Taschenrechner, Flugsimulatoren und Tamagochis. Diese stellen die Extremformen für die drei Kategorien dar, die meisten anderen Technologien kann man als Mischformen ansehen, die Merkmale von zwei bis drei Arten mehr oder weniger anteilig enthalten. Beispielsweise enthalten das Videospielprodukte wie "Mortal Kombat" sowohl Merkmale einer Technologien als Medium, da eine fiktive Welt simuliert wird, als auch Merkmale einer Technologie als sozialem Akteur, da zu den Figuren dieser simulierten Welt eine emotionale Beziehung aufgebaut wird. Auf diese Betrachtungsweise kann man eine Vielzahl persuasiver Computertechnologien im oben erwähnten Dreieck positionieren.

V. Ethische Kritik

Wenn man von der Beeinflussung von Menschen durch oder über Computertechnologien spricht, muss man dies auch durch eine ethische Betrachtungsweise näher beleuchten. Die zentrale Frage hierbei ist, ab wann ein Mensch nicht mehr selbstständig beurteilen kann, ob die vom Computer vermittelten Aspekte richtig oder falsch sind. Der Anbieter persuasiver Technologien hat hierbei also auch eine gewisse Verantwortung zu prüfen, ab wann die Kontrolle durch den Menschen verloren gehen kann und die Persuasion gänzlich von der Technologie bzw. derer Eigenschaften bestimmt wird.

Ethisch unbedenklich sind dabei Situationen, in denen die Initiative nur Nutzung und Persuasion vom User ausgeht, dieser also gezielt zu etwas bestimmtem "überredet" werden will. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Webseite fitlinkxx.com, die in Interaktion mit Home-Fitnessgeräten des Users dessen z.B. Kalorienverbrennungswerte während einer sportlichen Übung ermitteln kann und ihn so motiviert, weiterzumachen. Der User ist sich hier über Wirkung und Nutzen der Persuasion im Klaren und nutzt das Angebot gerade deswegen, so dass daran ethisch nichts Verwerfliches zu erkennen ist.

Von einer Grauzone spricht man dagegen, wenn die Persuasion vom Nutzer nicht gewollt ist. Hier ist von entscheidender Bedeutung, welche Absichten auf der "Angebotsseite" dahinter stehen. Wenn z.B. Ärzte zuckerkranke Kinder dazu zu motivieren versuchen, keine Süßigkeiten zu essen, ist daran ebenfalls nichts Verwerfliches zu erkennen. Von unethischem Verhalten spricht man in vielen Fällen, in denen die User über irgendetwas getäuscht werden. Eine klare Abgrenzung zwischen ethischer und unethischer Persuasion ist schwer zu finden und sehr umstritten.

VI. Zusammenfassung

Die Betrachtungsweise von Interfaces als persuasive Technologien ist ein breites Feld, wie wir in IV. gesehen haben. Zeitgleich ist es für den Anbieter von eminenter Bedeutung: was nützt das beste Angebot, wenn es unglaubwürdig erscheint und daher nicht genutzt wird? Die Frage nach dem Persuasionsgehalt, also danach wie man en Nutzer zu etwas überreden kann, ist oftmals der Weg zum Ziel. Zu deren Realisierung steht eine Vielzahl von technischen und konzeptionellen Möglichkeiten bereit. Gleichzeitig muss man sich dabei seiner Verantwortung bewusst sein und ständig hinterfragen, inwieweit man bestimmte Formen der Persuasion vertreten kann. Dies ist gerade auch deshalb notwendig, da hier keine klaren, für alle Fälle und Zeiten allgemeingültigen Regeln und Grenzen bestehen.

VII. Quellen

Amazon.de                  http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/1558606432/qid=1131629235/sr=8-1/ref=sr_8_xs_ap_i1_xgl/028-1295075-4280562

KommDesign.de          http://www.kommdesign.de/buecher/fogg.htm

Stanford University      http://captology.stanford.edu/

                                   http://captology.stanford.edu/moreinfo/3views.html

Uidesign.de                 http://www.uidesign.de/uidweb.php?content=92&lang=de

Usability.ch                 http://www.usability.ch/Alertbox/20030303.htm

Wilko Malchau            http://reloaded.iuk.hdm-stuttgart.de/~wilko/persuasion.htm

Wikipedia.de               http://de.wikipedia.org/wiki/Glaubw%C3%BCrdigkeit

                                   http://de.wikipedia.org/wiki/Persuasive_computing