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Embodied Interaction

Thomas L. Lederer

"Embodied Interaction" fasst einige neuere Trends in der Mensch-Maschine-Interaktion zusammen. Beispielsweise die Interaktion mit physischen Gegenständen, wodurch man Vorteile gewinnt, da man z.B. mit beiden Händen eingaben machen kann. Ein anderes Beispiel ist die Einbindung von soziologischen Aspekten in modernes Interface Design, denn ein besseres Verständnis der soziologischen Zusammenhänge führt auch zu einer vereinfachten Integration des Arbeitsmaterials in unsere Arbeitsweise.

Das "social computing" ist die ältere der beiden Felder, da es bereits in den 80ern aufgekommen ist.

"Tangible computern" hingegen hat man in den 90ern angefangen zu untersuchen.

Anfangs hat man beide Untersuchungsfelder unabhängig voneinander gesehen, doch haben beide ähnliche Ansätze, bei denen es darum geht, die dem Menschen bekannte Art mit Dingen und Situationen umzugehen auszunutzen um ein intuitives Interagieren möglich zu machen. Beides wird die Art wie wir mit Computern umgehen vermutlich ähnlich revolutionieren wie das Aufkommen der Graphischen Benutzeroberfläche in den 70ern.

Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass "Embodiment" einen großen Einfluss auf den Umgang mit Computer haben wird, da "Embodiment" nicht eben nicht nur die physische Manifestation von Eingabegeräten, oder das verstehen von Soziologischen Zusammenhängen ist, sondern vielmehr in philosophischer Sicht, die Trennung von Geist und Körper aufhebt. Man sollte, wenn man von "Embodiment" spricht, daran denken, dass der Geist eben nicht nur in der kurzen Zeit der Problemlösung beschäftigt ist, sondern eigentlich immer mit dem Körper kommuniziert.

Die Phänomenologie ist der philosophische Zweig, der sich hauptsächlich mit "Embodiment" beschäftigt. Daher findet man dort auch viel Material, das einem helfen kann die Auswirkung von "Embodiment" zu verstehen. Die Phänomenologie, die aus den Arbeiten des Mathematikers Edmund Husserl entstand, in denen er postulierte, dass wir unsere Wahrnehmung von Zahlen und Mathematik aus konkreten Phänomenen des täglichen Lebens ableiten, basiert auf den Erfahrungen des Menschen im Gegensatz zur üblichen Mathematischen Vorgehensweise.

Husserl stellte die Behauptung auf, dass z.B. die Geometrie sich sehr weit von der Realität entfernt hätte, aus der sie doch entstanden sei, d.h. um die Mathematik zu erkunden müsse man sich an den Phänomenen der echten Welt orientieren, nicht anders herum.

Die Zeit in der Husserl gelebt und geforscht hatte, war eine Zeit, in der die Absolutposition der Mathematik angegriffen, z.B. durch die Nicht-Euklidische Geometrie. Und sein Zurückkehren zur Beobachtung war der Versuch das Haus der Mathematik wieder auf ein solides Fundament zu stellen. Sein Schüler Heidegger entwickelte jedoch die Disziplin weiter, zu der Phänomenologie, so wie wir sie heute kennen. Dazu musste er jedoch Husserl grundsätzlich widersprechen. Er war nicht so wahrnehmungsbezogen wie sein Lehrer, nahm also nicht an, dass die Erfahrungen im Kopf gemacht wurden, also immer noch die "mentale" Theorie im Vordergrund stünde, sondern eher, dass Erfahrungen mit dem Körper gemacht werden, in der physischen Welt.

Heideggers Phänomenologie war aber keine Neuheit, sondern durch Winograd und Flores schon in ihrer Analyse der Computertheorien der Wahrnehmung vorgestellt worden. Speziell Heideggers "ready-to-hand" und "present-to-hand" Unterscheidung war Gegenstand ihrer Betrachtungen. Damit ist die Art und Weise, wie man z.B. mit einer Gangschaltung umgeht gemeint. Während des Fahrens wird einem selten bewusst, wie oft und wann man schaltet ("ready-on-hand"), aber wenn man sich z.B. verschaltet, dann ist man sich der Präsenz des Schaltknüppels stark bewusst ("present-on-hand").

Die Unterscheidung bei Heidegger ging aber sogar noch weiter, indem er behauptet, dass erst durch den Moment, wenn ein Gegenstand bewusst präsent wird, der Gegenstand zu einer Einheit in der Realität wird. Dieser Moment kann allerdings nur durch physische Interaktion herbeigeführt werden.

Das Konzept des "Embodiment" wird auch in der Phänomenologie der Wahrnehmung von Maurice Merleau-Ponty behandelt.

Merleau-Ponty versteht Wahrnehmung als bewusste Handlung einer Person. Die verkörperte Natur von Handlungen und Handelnden ist ein zentrales Konzept in seiner Philosophie. Es gibt 3 verschiedene Bedeutungen von "Embodiment" in seinen Arbeiten:

1. Physische Verkörperung eines Menschen 2. Das Relative (erlernte) Verhalten eines Menschen 3. Den kulturellen Hintergrund eines Menschen

Jede dieser Faktoren beeinflusst einen Menschen, und seine Reaktionen. Es beeinflusst ebenfalls wie der Mensch von anderen wahrgenommen wird.

Abgesehen von der Phänomenologie kann man "Embodiment" aber auch anders erklären.

Gibson z.B. verbrachte viel Zeit damit optische Informationsverarbeitung zu untersuchen, da er versuchte die Aufnahme und die Verarbeitung von optischer Information wieder zusammenhängend zu sehen, was die klassische Lehre getrennt hatte. Er sah visuelle Wahrnehmung im Kontext eines Wesens, interagierend, mit seiner Umwelt.

Ein Zentraler Bestandteil seiner Untersuchungen war etwas, was er "Affordance" (etwa angebotene Möglichkeiten) nannte. Gibson formte sein ökologisches Modell der visuellen Verarbeitung auf der Basis der Wahrnehmung der "Affordance". Für nachfolgende Forscher (z.B. Norman oder Gaver) wurde die "Affordance" ein wertvolles Werkzeug zur Analyse und Erstellung von interaktiven Designs.

Es ist also nicht überraschend, dass wir feststellen, dass ein Designer von interaktiven Systemen sich mit "Embodiment" beschäftigen sollten, um die Systeme einfacher in den täglichen Gebrauch zu integrieren.