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Übungsblatt 2 / Mensch-Maschine-Interaktion

Christoph Pahre


Zugewiesene Themen:

Statistical tests for user studies (20)
Cognitive walkthrough (23) *

Cognitive Walkthrough

Der "Cognitive Walkthrough" ist eine Technik der "Usability Inspection". Zunächst werde ich kurz darauf eingehen, was unter "Usability Inspection" zu verstehen ist und anschließend dann im speziellen die "Cognitive Walkthrough"-Methode näher betrachten.

Die hohen Kosten sind auch heute noch der Grund dafür, dass Unternehmen ihre Produkte nicht auf Usability testen lassen. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wurde als Alternative bzw. Ergänzung zu den herkömmlichen Usability-Tests die "Usability Inspection" entwickelt. Darunter versteht man eine Reihe von Methoden, bei denen Gutachter (meist Experten) die Usability eines Produkts beurteilen und vorhersagen, an welchen Stelle beim Kunden wohl Probleme auftreten werden. Die geringen Kosten sind nur ein Vorteil der „Usability Inspection“, ein weiterer ist die Möglichkeit, Usability schon früh zu testen. Es wird lediglich das Benutzerinterface benötigt und nicht die komplett implementierte Software wie bei empirischen Studien. Daraus ergibt sich, dass der optimal Einsatzpunkt dieser Methoden in der mittleren Phase des Entwicklungszyklus ist.

Im Folgenden werden wir nun eine Methode der „Usability Inspection“, die des „Cognitive Walkthrough“, näher beleuchten. Der Fokus liegt bei dieser Methode darauf, leichte Erlernbarkeit zu prüfen; dabei spielt vor allem „Exploratives Lernen“ (geringer Zeitaufwand, unmittelbarer Nutzen,...) eine große Rolle. Die Entwickler stehen auf dem Standpunkt, dass Exploration den Lernprozess für den Nutzer vereinfacht. Umso mehr ein Produkt „explorativ“ erlernt werden kann, umso leichter ist es für den Nutzer das Produkt zu erlernen.

Die Methode des „Cognitive Walkthrough“ bedient sich, um leichte Erlernbarkeit festzustellen, Erkenntnissen aus der Kognitionsforschung, um anhand hypothetischer Nutzer und derer mentaler Prozesse zu erkennen, ob das Produkt den mentalen Fähigkeiten des Nutzers entspricht. Ist das Gegenteil der Fall, wird dem Nutzer also Wissen abverlangt, welches nicht vorhanden ist, kann die Usability für diesen nicht hoch sein. Anders gesagt, der „Cognitive Walkthrough“ konzentriert sich weniger auf die Evaluation eines konkreten Interfaces, sondern auf die mentalen Prozesse eines Nutzers im Rahmen einer hypothetischen Nutzungssituation, es werden also typische Aufgaben und das Verhalten von potenziellen Nutzern simuliert.
Obwohl vor allem der Aspekt der leichten Erlernbarkeit beim „Cognitive Walkthrough“ im Mittelpunkt steht wird, darauf hingewiesen, dass dieser Punkt stark mit anderen Entitäten (z.B. Effizienz) verzahnt ist.
Das Ziel dieser Methode ist es, Probleme im Userinterface zu erkennen, es werden jedoch keine Korrekturvorschläge gemacht. Allerdings werden Gründe für die erkannten Probleme angeführt, welche den Produktdesigner helfen sollen, das Problem zu beheben.

Kommen wir nun zum Ablauf des „Cognitive Walkthrough“. Dieser teilt sich in vier Schritte:

1) Definition des Inputs

Hierbei handelt es sich um einen dem eigentlichen Test vorgelagerten Arbeitschritt. Dabei werden zunächst Überlegungen bezüglich der späteren Nutzer angestellt und welches Wissen dort vorhanden ist.
Anschließend wird eine Aufgabe ermittelt, welches das spätere Produkt unterstützen soll. Hierbei ist zu erwähnen, dass eine Evaluation meist mehrere „Cognitive Walkthroughs“ benötigt, um verschiedene Aufgaben des Systems zu prüfen. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei die wichtigsten Aufgaben zu prüfen. Generell sollten die ausgewählten Aufgaben zwei Kriterien erfüllen: realistisch und wichtig. D.h. sie sollten häufig auftreten oder kritische Aspekte betreffen.
Um nun den Ablauf zwischen Nutzer und Produkt bei einer bestimmten Aufgabe zu veranschaulichen, wird zunächst eine Handlungssequenz erstellt, wie sie vom Designer gewünscht wäre.
Abgeschlossen wird die Vorbereitung durch eine Beschreibung oder besser noch durch Implementation der Benutzerschnittstelle (Funktionen bleiben außen vor), um die einzelnen Bedienschritte darzustellen.

2) Untersuchung der Handlungssequenzen für jede Aufgabe

Nachdem nun alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, beginnt die eigentlich Analyse des Produkts. Dabei prüft der Gutachter die Einzelschritte des korrekten Lösungswegs, wobei für jede Benutzereingabe die zuvor nötigen Vorraussetzungen, sowie die daraus resultierenden Folgen zu durchdenken sind. Daraus leitet dann der Gutachter ab, wie ein Nutzer des Produkts die selbige Aufgabe bearbeitet hätten und inwieweit sich dies mit dem korrekten Lösungsweg gedeckt hätte.
Fragen wie bspw. „Wird der Benutzer erkennen, dass die korrekte Aktion zur Verfügung steht?“ sind elementar und müssen vom Gutachter in Betracht gezogen werden, da kein Benutzer Aktionen ausführen wird, die ihm nicht augenscheinlich zur Verfügung stehen. Dabei sei jedoch bedacht, dass aufgrund von Erfahrung oder Ähnlichem, der Nutzer erwartet bzw. weiß, dass eine, wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbare Aktion, zur Verfügung steht.
Beim „Cognitive Walkthrough“ spielen vier Fragen eine entscheidende Rolle, um Probleme zu erkennen und diese sind:

Wird der Benutzer versuchen, den richtigen Effekt zu erzielen?
Wird der Benutzer erkennen, dass die korrekte Aktion zur Verfügung steht?
Wird der Benutzer eine Verbindung herstellen zwischen der korrekten Aktion und dem gewünschten Effekt?
Wenn die korrekte Aktion ausgeführt worden ist: wird der Benutzer den Fortschritt erkennen?

Mit Hilfe dieser Fragen werden die wichtigsten Punkte bei der Evaluierung des Interfaces zumindest angesprochen und sie helfen, dabei nichts zu übersehen.

3) Protokollierung kritischer Informationen

In dieser Phase des „Cognitive Walkthrough“ hält der Prüfer/Gutachter zwei Arten von Informationen fest, die er während der Analyse des Produkts gewonnen hat. Zunächst gilt es festzuhalten, welche Informationen, in Form von Kenntnissen, Erfahrung, usw., der Benutzer zum erfolgreichen Erledigen der verschiedenen Handlungsschritte benötigt. Außerdem müssen Daten über Aktionen, die wahrscheinlich zu Fehlbedienung und damit zu Problemen beim Nutzer führen, angefertigt werden. Dabei sind die Aktionen, die zu Fehlern führen, um Gründe für die wahrscheinliche Fehlbedienung zu ergänzen. Während des Tests sollen die zuvor festgelegten Abläufe nicht mehr verändert werden. Bei verheerenden Fehlern, die weitere Tests stören würden, kann jedoch von einer Änderung ausgegangen werden und der Test anhand des zuvor festgelegten Ablaufs weitergeführt werden.

4) Revision des Interfaces

Bedienschwierigkeiten des Benutzers können mit verschiedenen kritischen Fragen aufgedeckt werden (siehe 2) Untersuchung der Handlungssequenzen...). Um die zuvor erkannten Probleme des Produkts bei der Nutzung durch den Endanwender zu beheben, können verschiedene Möglichkeiten bei der Behebung dieser Fehler helfen. Dabei ist es entscheidend zu wissen, welches Problem auftritt. Wie zuvor bei den Handlungssequenzen schon angesprochen, können auch hier analog die vier richtigen Fragen helfen, die möglichen Lösungen zu erkennen.
Bspw. im Fall, dass der Benutzer nicht versucht den richtigen Effekt zu erzielen, bieten sich verschiedene Ansätze zur Lösung des Problems an.
Da wäre zum Einen, die Aktion dem Nutzer zu entziehen und diese ganz vom System abarbeiten zu lassen oder die entsprechende Aktion mit einer weiteren, offensichtlicheren Aktion, zu kombinieren. Ein zweiter Ansatzpunkt wäre es den Nutzer bewusst darauf hinzuweisen, welche Aktion von ihm erwartet wird. Dies könnte mit einer Meldung, einem Pop-Up oder Ähnlichem realisiert werden. Letztendlich wäre es auch möglich, einen Teil der Benutzerschnittstelle zu verändern, so dass dem Nutzer klarer wird welche Aktion von ihm erwartet wird.


Nun möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass der „Cognitive Walkthrough“ als Methode der „Utility Inspection“ darauf abzielt, mit minimalem Aufwand und deshalb auch geringen Kosten möglichst gutes Feedback für die Usability eines Produkts zu geben. Dabei ist es nicht Ziel des „Cognitive Walkthrough“ ein Redesign des Produkts bzw. von dessen Schnittstelle vorzuschlagen, sondern zu klären, warum und an welchen Stellen im Produkt die Usability zu wünschen übrig lässt. Mit Hilfe der mit dem „Cognitive Walkthrough“ gewonnenen Daten sollte es dem Designer möglich sein, das Produkt so abzuändern, dass die durch den Gutachter aufgedeckten Schwachstellen und Probleme behoben werden.

Probleme des „Cognitive Walkthrough“ sind zum Einen dadurch begründet, dass die zugrunde liegende Handlungssequenz einen großen Einfluss auf das Ergebnis der Prüfung hat und diese mit dem Designer selbst erarbeitet wurde. Andererseits bietet diese Sicht den Vorteil, dass das Redesign für den Designer dadurch nachvollziehbar ist.
Zum Anderen, sind die Ergebnisse des „Cognitive Walkthrough“ kein Ersatz für empirische Studien, allerdings kann dieser schon im frühen Entwicklungsstadium eingesetzt werden, wo Benutzertests noch undurchführbar sind.
Weiterhin können nur bestimmte Probleme mit Hilfe des „Cognitive Walkthrough“ ermittelt werden und andere nicht. Dazu seinen nur kurz ein paar Beispiele genannt.

Erkennbare Probleme:

Schlechte Beschriftung
Inadequates Feedback
Probleme beim "Explorativem Erlernen"

Nicht erkennbare Probleme:

Inhaltliche Probleme
-> einfacherer Weg zum „Ziel“
-> nicht intuitiv

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Methode des „Cognitive Walkthrough“ trotz verschiedenster Probleme, ihre Berechtigung in der Reihe der Usability-Tests hat. Dies liegt hauptsächlich an der Möglichkeit die Methode schon in frühen Entwicklungsstadien durchzuführen und zwar mit minimalen Kosten und hilfreichen Ergebnissen.



Quellen:

http://pcptpp030.psychologie.uni-regensburg.de/student2001/Skripten/Zimmer/u-walkthrough.html
http://www.informatik.hu-berlin.de/~wiesner/hs/seminare/eval_meth.html
http://www.psychonomics.de/article/emafo/almanach.php?suchbegriff=Cognitive%20Walkthrough
http://www.usability-knowhow.de/cognitive-walkthrough.html
http://www.bui.fh-hamburg.de/pers/ursula.schulz/webusability/methcw.html
http://www.usability-forum.com/newsletter/archiv/02102001.shtml
http://www.netaspect.com/kompetenzen/web_usability/downloads/Usability_Infos.pdf