Institut für Informatik | Sitemap | LMU-Portal
English
  • Startseite
  • Studieninteressierte
  • Studierende
  • Lehrveranstaltungen
    • Archiv
    • WS 2006/2007
      • AR
      • DM
      • FOTO
      • HS
      • IV3D
      • MMI1
        • Essays
      • MMN
      • OS
      • PEM
      • PMG
  • Forschung
  • Personen
  • Kontakt
  • Besucher
  • Jobs
  • FAQ
  • Intern

Informationsvisualisierung in der Modernen Kunst

Silvia Peter

Folgender Essay ist im Rahmen der Vorlesung „Mensch-Maschine-Interaktion I“ im Wintersemester 2006/07 entstanden und befasst sich mit dem Thema „Data Displays in Modern Art“.

Wissenschaftlicher Kontext

Wie lässt sich dieser Beitrag einordnen? Der Umgang mit Datenmengen spielt in der Informatik eine große Rolle. Das Gebiet der Mensch-Maschine-Interaktion (Human-Computer-Interaction) behandelt insbesondere Fragen der Benutzerfreundlichkeit, der Bedienbarkeit, aber auch der Gestaltung. Dies spiegelt sich zum Beispiel in den „Ten Usability Heuristics“ wider, allgemeine Prinzipien, die Jakob Nielsen entwickelt hat und anhand derer sich die Qualität eines User Interface Designs beurteilen lässt. Darunter befindet sich auch der Punkt „Aesthetic und minimalist design“, also der Anspruch, das Produkt attraktiv zu gestalten, es aber nicht zu überladen (vgl. 1.). Dies lässt sich auf die Kunst zurückführen. Mit dem Gedanken die Ästhetik seines Kunstwerks sollte sich jeder Schaffende ausseinander setzen, das Prinzip des Minimalismus hat schon in sämtlichen Ausdrucksformen der schönen Künste Anklang gefunden. So werden die Theaterstücke von Samuel Beckett als minimalistisch bezeichnet, als minimalistische Künstler werden So LeWitt und viele Maler aus dem Abstrakten Expressionismus wie Ad Reinhardt, Mark Rothko oder Willem de Kooning genannt. Eine Umsetzung in der Architektur ist durch Vertreter des Bauhauses erfolgt (vgl. 2.).

Man sieht also, wie Prinzipien aus der Bildenden Kunst für die Computerforschung eingesetzt werden können, aber können auch Methoden der Informationswissenschaft in der Kunst verwendet werden? Auch die Künstler haben sich neue Techniken angeeignet, die von der Informatik zu Verfügung gestellt werden. Zum Beispiel kann eine bestimmte Software dem Künstler helfen, aus den darzustellenden Inhalten das gewünschte Ergebnis zu erzeugen. Er kann aber auch die Technologie nicht nur als Mittel zum Zweck benutzen, sondern die Technik selbst zum Kunstwerk erheben.

Dies führt zum Gegenstand dieses Essays. Es soll ein Ziel dieses Beitrags sein, Beziehungen zwischen der Mensch-Maschine-Interaktion und der Modernen Kunst aufzuzeigen, die die Datenvisualisierung betreffen.

Grundlagen der Visualisierung

Visualisierung ist die modellhafte Darstellung von Informationsmaterial, das durch Sprache allein nur schwer erklärt werden kann. Sie dient dazu, Zusammenhänge zu verdeutlichen und einen Überblick über größere Datenmengen zu verschaffen. Als Beispiele für Visualisierung kann man Höhlenmalerei, den Wetterbericht oder „Leonardo da Vinci's revolutionary methods of technical drawing for engineering and scientific purposes“ (s. 3.) nennen. Es können verschiedene Medien zum Einsatz kommen wie zum Beispiel gedruckte oder manuell angefertigte Zeichnungen, Animationen oder Filmmaterial.

Datenvisualisierung und künstlerische Aspekte

Bei der Datenvisualisierung gilt es, die Informationen vollständig und übersichtlich zu veranschaulichen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, im Folgenden sollen zwei davon mit Beispielen vorgestellt werden.

Informationsvisualisierung durch ein Partikelsystem

Das Verhalten einer größeren Menge von Objekten, die den gleichen Faktoren unterliegen, lässt sich mithilfe eines Partikelsystems darstellen. Die Objekte werden zuerst durch logische Elemente, Partikel genannt, repräsentiert, für die man verschiedene Eigenschaften festlegen kann wie etwa die Lebensdauer oder Krafteinflüsse. Auch grafisch Attribute müssen bestimmt werden, bevor die Partikel vom System erzeugt und animiert werden können (vgl. 4.). Erstmalig verwendet wurde dieses Prinzip 1982 im Kinofilm „Star Trek II: The Wrath of Khan“, um Explosions- und Feuereffekte wirklichkeitsgetreu darstellen zu können. Entwickelt worden ist es durch William T. Reeves. Sein Artikel mit dem Titel „Partikel Systems – A Technique for Modeling a Class of Fuzzy Objects“ ist im ACM-SIGGRAPH Journal 1983 erschienen. Durch ein Partikelsystem lassen sich nicht nur Explosionen und Feuer, sondern auch Wolken, Rauch, Wasser, Nebel, Sandstürme oder Asteroidenfelder simulieren (vgl. 5.).

Kevin Walker verwendet in seiner Arbeit „Smoke Signals: Particle Systems for Ambient Information Display“ die Methode des Partikelsystems zur Darstellung von Informationen. Um diese ansprechend und interessant zu veranschaulichen, bedient er sich des natürlichen Charakters der Ergebnisse des Partikelsystems. Eines der vorgestellten Experimente besteht darin, über die Zeit jeweils die Personenanzahl in einem Raum zu erfassen und die gemessenen Zahlen als Wolken zu verbildlichen, deren Größe relativ zueinander variiert. Walkers Arbeit ist kein Kunstwerk in diesem Sinn, doch findet man bei ihm die Angabe, er habe sich von den Werken Piet Mondrians inspirieren lassen. Dass hinter den einfachen Farben und Formen eine Bedeutung zu finden sei, wenn man um die Theorie wisse, dass in einem Bild Information versteckt sei, das habe ihn fasziniert (vgl. 6.). Das Konzept, Daten einfließen zu lassen, um ein Kunstwerk zu schaffen, was von diesen Eingaben abhängig ist, findet man tatsächlich bereits bei Piet Mondrian. Der Künstler selbst hat das so formuliert: „Die abstrakt-reale Malerei kann ästhetisch-mathematisch gestalten, weil sie ein exaktes, mathematisches Ausdrucksmittel besitzt. Dieses Ausdrucksmittel ist die zur Bestimmtheit geführte Farbe. Die Farbe zur Bestimmtheit führen bedeutet: erstens die Zurückführung der Naturfarbe auf die Primärfarbe, zweitens das Reduzieren der Farbe zur Fläche und drittens das Abgrenzen der Farbe – in der Weise, dass sie als Einheit rechteckiger Flächen erscheint.“ (Piet Mondrian, Die Neue Gestaltung in der Malerei, 1917/1918) Aus Jaffé 1967, S.48“ (s. 7.)

Informationsvisualisierung mithilfe eines Graphen

Gut geeignet für die Darstellung von Daten ist auch ein Graph. Eine Einheit der Datenmenge wird hier als Knoten repräsentiert, während die Beziehungen der Daten zueinander durch Verbindungen zwischen den Knoten, den Kanten, erscheinen. Es kann auch eine farbige Ausgestaltung erfolgen, um Daten mit bestimmten Eigenschaften voneinander abzugrenzen. Damit der Betrachter verstehen kann, was dargestellt wird, fügt man dem Graphen eine Beschriftung hinzu und erklärt die Bedeutung von verwendeten Farben, Größen und Formen; ein Graph existiert immer kontextabhängig, daher kann es auch theoretisch mehrere Graphen geben, die gleich aussehen und sich nur durch ihre Bedeutung unterscheiden (vgl. 8.).

Es soll nun ein Werk von W. Bradford Paley vorgestellt werden. Paley ist zuerst im Gebiet der Mensch-Maschine-Interaktion tätig gewesen, wo er sich mit neuartigen Techniken, wie komplexe und umfangreiche Daten darzustellen seien, beschäftigt hat. Besonderes Augenmerk legt er darauf, wie man das Verständnis solcher Daten bei den Menschen, die sie verstehen sollen, verbesseren kann, so dass die Bedeutung der Information sofort ersichtlich wird und der Prozess des Verstehens Spaß bereitet (vgl. 9.). Sich selbst bezeichnet Paley als „Interaction designer“ (s. 10.). Das Werk trägt den Titel „Map of science in the journal Nature“. Die Eingabe bilden 800.000 wissenschaftliche Papers, dargestellt als weiße Punkte, die 776 verschiedenen Fachgebieten, den roten Knoten, zugeordnet werden, je nachdem, wie oft sie von Autoren anderer Papers zitiert worden sind. Fachgebiete, die gemeinsame Autoren aufweisen, werden durch Linien verbunden und rücken enger zusammen. Zusätzlich verfügt jedes Fachgebiet über eine Liste häufig gebrauchter Worte (vgl. 11.). Auf den ersten Eindruck wirkt die Konstruktion wie eine merkwürdige Blüte, man bemerkt bald, dass sich an einigen Stellen größere Cluster bilden und bei größerer Auflösung wird es auch möglich, die Ausdrücke, die den Fachgebieten zugeordnet sind, zu lesen. Die Fachgebiete tragen keine Namen, anhand der Ausdrücke kann man jedoch identifizieren, worum es sich handelt. Allerdings wird das Lesen dadurch erschwert, dass die Wortlisten teilweise auf dem Kopf stehen. Um zu Erkenntnissen darüber zu gelangen, was in der Überschrift des Bilder „Topic Map: How Scientific Paradigms relate“ als Ziel gesetzt ist, muss man sehr viel Zeit aufwenden, jedoch besticht die Arbeit durch die offensichtliche Schönheit der Datenfülle.

Ein weiterer Künstler, der sich der Darstellung von Informationen als Graphen gewidmet hat, ist Mark Lombardi. Der US-amerikanische Künstler ist durch seine von Hand gezeichneten Soziogramme bekannt geworden. Diese Diagramme haben politische Machtstrukturen und -skandale zum Thema. Das Informationsmaterial für seine Skizzen hat er sich aus öffentlich zugänglichen Medien beschafft. Die Namen von Personen oder Firmen bilden die Knoten, Verbindungen zwischen diesen werden als Pfeile dargestellt. Den Verlauf des Geschehens deuten schwarze Linien an, rote Linien kriminelle Handlungen. Zudem sind die Zeichnungen noch durch Anmerkungen ergänzt (vgl. 12.). Beziehungen zwischen Personen sind auf den ersten Blick erkennbar, es ist großer Wert auf Deutlichkeit gelegt worden, obwohl die Skizzen von Hand angefertigt sind. Durch die Verwendung von Schablonen wirken seine Zeichnungen sehr geometrisch und exakt. Es ist möglich, dass das den Eindruck von verstärken soll, dass die Aussagen, die hier getroffen werden, der Wahrheit entsprechen. Als Beispiel dient das Soziogramm „George W. Bush, Harken Energy and Jackson Stevens“, entstanden etwa zwischen 1979 und 1990, 5. Version (s. 13.).

Schlussbemerkung

Heute existieren schon viele Arten der künstlerischen Umsetzung von digitaler Technologie. Das Read_me-Festival, das sich der Softwarekunst widmet, hat eine Unterscheidung in folgende Teilbereiche vorgenommen: Algorithmic Appreciation, Artificial Intelligence, Artistic Tool, Bots and Agents, Browser Art, Code Art, Conceptual Software, Data Transformation, Digital Aesthetics Research and Development, Digital Folk and Artisanship, Existing Software Manipulations, Games, Generative Art, Hardware Transformation, Installation-based, Institutional Critique, Political and Activist Software, Software Cultures, System Dysfunctionality und Text Manipulation (vgl. 14.). Trotzdem fällt eine Zuordnung manchmal schwer, so bei Mark Napiers künstlerischem Programm „Feed“, das Webseiten in Pixelströme umwandelt und auf verschiedene Art grafisch anzeigt (vgl. 15.). Oft besteht das eigentliche Kunstwerk auch nur aus einem Code in Textform.

Man kann diese Art von Kunst im Internet ansehen, jedoch findet man selten etwas davon in einer Kunsthalle. Diese Spaltung zwischen zeitgenössischer Kunst und Kunst, die ihre Anleihen in der Informationswissenschaft nimmt, führt dazu, dass Softwarekunst nicht als eigentliche Kunst anerkannt wird.

Anhang

1. http://www.useit.com/papers/heuristic/heuristic_list.html

2. http://en.wikipedia.org/wiki/Minimalism

3. http://en.wikipedia.org/wiki/Visualization_%28graphic%29

4. http://de.wikipedia.org/wiki/Partikelsystem

5. http://medien.informatik.uni-ulm.de/lehre/courses/ss02/Computergrafik/JohannesHein.pdf

6. http://www.exhibitresearch.com/kevin/ioe/smoke.pdf

7. http://www.g26.ch/art_mondrian.html

8. http://de.wikipedia.org/wiki/Graph_%28Graphentheorie%29

9. http://www.smartgraphics.org/sg01/invited-abstracts.html

10. http://www.didi.com/brad/

11. http://www.didi.com/brad/mapOfScience/index.html

12. http://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Lombardi

13. http://www.georgetown.edu/faculty/irvinem/visualarts/VisualCulture/media-slide19.html

14. http://www.m-cult.org/read_me/

15. http://www.aec.at/de/archives/festival_archive/festival_catalogs/festival_artikel.asp?iProjectID=12501

Nach oben
Impressum – Datenschutz – Kontakt  |  Letzte Änderung am 18.04.2007 von Richard Atterer (rev 1935)