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In der heutigen immer globaler werdenden Welt des Internets wird auch die Hard- und Software immer komplexer. Mit dieser Entwicklung wird auch der Anspruch an die Benutzbarkeit immer höher, da das Produkt einer immer breiter werdenden Masse von Benutzern mit unterschiedlichen Ansprüchen und Fähigkeiten genügen muss. Um diese Benutzbarkeit zu erhöhen, wurden in den letzten Jahren viele Techniken entwickelt. Eine davon nennt sich Paper Prototyping. Da diese Technik oft nur in großen Firmen benutzt wird, stellt sich für die meisten Privatpersonen folgende Frage: „Was ist Paper Prototyping, wie funktioniert es und warum ist es sinnvoll, es einzusetzen?“

1. Definition von Paper Prototyping

Paper Prototyping ist eine Variation des Usability Tests, in dem repräsentative User realistische Aufgaben ausführen, indem sie mit einem auf Papier erstelltem Interface interagieren, das von einer anderen Person manipuliert wird („den Computer spielen“), die aber nicht erklärt wie das Interface gedacht ist, zu funktionieren. [1]

1.1 Geschichte

Die Anfänge von Paper Prototyping sind ungefähr in den Anfang der neunziger Jahre einzuordnen. Autoren, wie Bob Virziu, Jakob Nielsen und Tom Tullis, welche aber bei weitem nicht die einzigen sind, verwenden zum ersten mal das Konzept von „low-fidelity“ Prototyping. Es gab zwar schon ähnliche Techniken von großen Firmen in den achtziger Jahren, aber das Paper Prototyping, wie es heutzutage von der Allgemeinheit verwendet wird, existiert erst seit circa 10-15 Jahren.

1.2 Kurzbeschreibung der Funktionsweise

Zu aller erst muss ein Team von sachkundigen Personen zusammengestellt werden, welches den Test durchführen wird. Dann muss eine repräsentative Gruppe von Testpersonen ausgewählt werden, die die zentrale Zielgruppe des zu prüfenden Interfaces darstellt. Im folgenden muss das Team spezielle Aufgaben zusammenstellen, die die Funktionsweise des Interfaces möglichst gesamt abdecken.

Im Folgendem beginnt das Team, alle Menüs, Anzeigen und Daten auf Papier zu skizzieren, die nötig sind um die ausgewählten Aufgaben darzustellen und auszuführen.

Nach dem Erstellen des Prototyps wird der eigentliche Test durchgeführt. Die Benutzer (engl. User) werden gebeten die gestellten Aufgaben (engl. Tasks) auszuführen, indem sie direkt und nur mit dem vorhandenen Interface interagieren. Ein Mitglied des Teams muss dafür sorgen, dass der Benutzer das auch kann, indem er den Computer spielt und die Skizzen manipuliert, so dass es für den Benutzer wirkt, als würde er am Computer arbeiten. Dies wird auch „Wizard of Oz'“ genannt, weil das Interface auch ohne Implementierung auf wundersame Weise funktioniert. Ein anderes Team Mitglied ist im Test der sog. Vermittler (engl. Faciliator), der den Testlauf leitet und dem User erklärt, was zu tun ist und ebenso dafür sorgt, das der Benutzer immer erklärt, warum er seine Aktionen so durchführt, während stumme Beobachter (engl. Observer) das Experiment mitverfolgen und alle relevanten Informationen notieren.Aus diesen Informationen kann mit wenig Aufwand erkannt werden, welche Teile des Interfaces gut funktionieren und welche einer Nachbesserung bis hin zum Neudesign bedürfen. Hier kommt auch der Vorteil zutage, dass der Prototyp in Papierform ist: Auf Papier können Änderungen sehr schnell (schon während des Tests) verwirklicht und so die gröbsten Fehler sehr schnell beseitigt werden.

1.3 Low- und High- Fidelity Prototyping

Dieses Konzept ist eine Möglichkeit, Prototypen zu klassifizieren. Während Low-Fidelity Prototyping (low-fi) für den Benutzer klar unecht wirkt, wird Hi-Fidelity Prototyping (hi-fi) so erstellt wird, dass es fast wie das Endprodukt aussieht und auch von den Benutzern oft mit diesem verwechselt wird. Außerdem ist hi-fi meistens programmiert oder mit entsprechender Software erstellt. Das Ziel beider Klassen ist allerdings dasselbe und obwohl es ein scheinbar nützliches Konzept ist, wäre es manchmal irreführend, dieses Konzept auf einen gesamten Prototyp anzuwenden, da keine klare Grenze zwischen den beiden Klassen gezogen werden kann. Deshalb ist es günstiger, von Fidelity nur bei bestimmten Teilen des Prototyps zu sprechen.

1.4 Horizontales und Vertikales Prototyping

Ein weiteres Konzept um Prototypen zu klassifizieren, ist sie in horizontales und vertikales Prototyping einzuteilen. Hierbei heißt horizontales Prototyping , dass das Ziel des Prototyps darin besteht, das Produkt möglichst komplett abzudecken und alle Features zu testen. Die Breite des Tests geht natürlich auf Kosten der Genauigkeit. Im Gegensatz dazu steht vertikales Prototyping, das sich auf ein bestimmtes Feature des Produkts beschränkt, dieses aber mit größter Genauigkeit testet. Die Ziele beider Klassen unterscheiden sich natürlich: Während Horizontales Prototyping dabei hilf, allgemeine Usability Sparten, wie Navigation, Feature Platzierung oder allgemeines Design auszuwerten und zu testen, ist das Ziel von vertikalem Prototyping, die Benutzbarkeit eines bestimmten Features zu verbessern und auf den Benutzer zu zuschneiden.

2. Vor und Nachteile von Paper Prototyping

Vorteile:

  • Es braucht keine technischen Kenntnisse um Paper Prototypen herzustellen.
  • Es ist eine direkte Art von Verständigung zwischen den Entwicklern und den Kunden, da auf keinerlei technische Aspekte Rücksicht genommen werden muss.
  • Der Aufwand (Zeit, Kosten) ist sehr gering, so dass sehr viele Tests in den einzelnen Entwicklungsstadien des Interfaces gemacht werden können.
  • Es kann schon eine Usability Einschätzung der Benutzer über das Interfaces gegeben werden, bevor überhaupt mit der Implementierung angefangen wurde.

Nachteile:

  • Es können bestimmte Probleme nicht erkannt werden, da diese erst mit der Implementierung auftreten
  • Die Flut der Informationen kann sehr unübersichtlich werden, wenn nicht optimal geplant wurde.
  • Werden die Benutzer falsch gewählt, entwickelt sich das Design möglicherweise in die falsche Richtung.

3. Anwendung von Paper Prototyping

Im Folgendem wird eine Übersicht zum erstellen von Paper Prototypen gegeben.

„Genauso, wie man nicht bei einem erfolgreichen Software Projekt anfängt, blind in die erste Klasse zu programmieren, die einem einfällt, ist es ebenso das beste beim Erstellen eines Paper Prototyps, erst einige Vorbereitungen zu treffen, bevor man das Interface skizziert.“[4]

3.1 Materialien

Das wichtigste Material, das ein Paper Prototyp verwendet ist natürlich Papier und Stift. Obwohl ganze Prototypen nur mit diesem Materialien hergestellt werden können, ist es hilfreich, auch andere Materialien zu nutzen, um bestimmte Funktionalitäten des Interfaces zu simulieren. Hier sind der Kreativität des Teams keine Grenzen gesetzt. Zum Beispiel können mit kleinen selbstklebenden Zettelchen check boxen simuliert werden, welche der Benutzer durch „anklicken“ ankreuzen kann, indem das den Computer spielende Team Mitglied einfach das Zettelchen mit einem gemalten X auf die Box klebt. Auch Rechtsklick Menüs können durch diese Zettelchen effizient simuliert werden. Des weiteren empfiehlt es sich, bei Text Boxen, in die die Benutzer schreiben sollen, wieder lösliches transparentes Klebeband zu verwenden um nicht für jeden Testlauf einen neuen Prototyp anfertigen zu müssen.

3.2 Hintergrund

Ein Hintergrund ist ein Schema, das sich im ganzen Test nicht ändert. Dies kann entweder ein umrandendes Interface sein, welches die Benutzer immer sehen sollen, beispielsweise in einem Browser die zurück und Vor Buttons, wie auch die Darstellung einer Hardware Hülle, wie zum Beispiel ein Bild eines Handys, um dessen Software zu testen. Ein Hintergrund hilft dem User, sich auf dem Prototyp zu konzentrieren und kann eine gewisse Konsistenz schaffen. Dies kann beispielsweise durch immer wieder auftretenden Schemen, wie die gleichen Steuerelemente bei Handys, etc. erreicht werden. Weiterhin schafft ein Hintergrund eine gewisse Übersichtlichkeit beim Vermittler, da bei vielen Papieren auf dem Tisch immer erkannt werden kann, mit welchen Teilen des Prototyps der Benutzter im Moment interagieren kann.

3.3 Simulation

Die meisten in der Realität angewendeten Techniken können mit einiges Tricks simuliert werden:

  • Tooltips/mouseover

    Es muss den Benutzern vorher erklärt werden, dass in diesem Test Tooltips existieren. Um diese zu benutzen muss der Benutzer auf ein Element zeigen und den Vermittler fragen „Was ist das?“.

  • Rollover/pop-up Menüs

    Kann durch selbstklebende Zettel simuliert werden

  • Einzeltöne

    Der Vermittler muss an dieser Stelle einfach „piep“ sagen.

  • Drag & Drop

    Da es sehr schwer umzusetzen ist, muss der Benutzer dem Vermittler sagen, was er wohin ziehen will.

  • Rechtsklick

    Funktioniert wie normale pop-up Menüs

  • Schieber, Fortschrittsbalken

    Der Benutzer muss bei Schiebern mitteilen, auf welchen Wert er den Schieber setzten möchte. Bei Forschrittsbalken muss der Vermittler dem Benutzer mitteilen, um was es sich handelt.

  • Webseiten Links

    Es muss dem Benutzer vorher erklärt werden, das er bei jedem Bild oder Textstück fragen kann, ob es sich um einen Link handelt. Dadurch kann schnell herausgefunden werden, wo die Benutzer intuitiv einen Link vermuten würden und wo sie gerne welche hätten.

  • Scrolling

    Scrolling kann durch eine rechteckig ausgeschnittene Schablone simuliert werden, welche auf der Rechten Seite eine Scrollleiste beinhaltet. So kann durch auf und ab Bewegung des Inhalts Scrollen simuliert werden.

4. Aufgabendesign

Um einen aufschlussreichen Test durchzuführen müssen die Aufgaben, die die User absolvieren, gut gewählt sein. Gute Aufgaben setzten sich aus zwei verschiedenen Bereichen zusammen: Der eine Teil umschließt die Fragen, die die Entwickler über das Design haben, der andere, die Ziele der Benutzer.

Ein gutes Aufgabendesign geht meist über folgende Schritte:

  • Benutzerziel und Nutzen des Interfaces definieren
  • Entwicklerfragen, wie mögliche Probleme, Risiken und andere Bedenken auflisten
  • Den Fragen verschiedene Priorität zuweisen
  • Die Aufgabe so auswählen, das möglichst viele wichtige Fragen und Ziele abgedeckt werden.
  • Den vierten Schritt so oft wiederholen, bis eine Menge aus Aufgaben zusammengestellt ist, welche möglichst alle Fragen abdeckt.
  • Die Reihenfolge der Aufgaben festlegen und Zeitplan erstellen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der Test nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt.
  • Die Anweisungen, die den Benutzern im Test gegeben werden ausformulieren.
  • Die Aufgaben in der Praxis testen.

Die Personen, die die Aufgaben ausarbeiten, sollten sich sowohl aus Personen aus dem Team, wie auch aus anderen, die bestimmte Fragen haben oder ein bestimmtes Feature testen wollen, zusammensetzen.

5. Usability Test mit Paper Prototyping

Vor dem eigentlichen Test, müssen einige Punkte beachtet werden um die Benutzer nicht ins kalte Wasser zu werfen. Neben Vorstellung aller beteiligten Personen sollte dem Benutzer noch einmal klar gemacht werden, was hier passieren wird. Neben allgemeinen Vorgängen, wie allgemeine Test Formulare auszufüllen, steht dabei vor allem im Vordergrund, ihnen zu erklären, dass das Interface getestet wird und nicht der Benutzer. Falls der Test per Kamera oder durch andere Medien aufgezeichnet wird, muss dies dem Benutzer ebenfalls angegeben werden.

Darauf muss dem Benutzer eine kurze Einführung in die Funktionsweise des Tests gegeben werden, wobei darauf geachtet werden sollte, dem Benutzer nicht zu viel über die Ziele und Funktionen zu erzählen.

Zum Anfang wird dem Benutzer erklärt, was er vor sich liegen hat, wie er damit interagieren kann und was die Aufgabe ist, die er ausführen soll. Auf Fragen innerhalb des Tests sollte mit dem Benutzer so wenig wie möglich gesprochen werden, denn dies könnte das Ergebnis beeinflussen.

Während des Tests muss der Vermittler außerdem folgende wichtige Punkte beachten:

  • Benutzer sollen zeigen, nicht sprechen.Obwohl die Benutzer laut denken sollen, um deren Aktionen nachvollziehen zu können, sollte man aufpassen, dass sie nicht verbale Erklärungen benutzen, wie „jetzt möchte ich gern von vorne anfangen“. An solche Dingen sollten die Benutzer eher zeigen, wie sie dies tun und erklären, warum.
  • Benutzern muss klar sein, dass es in Ordnung ist, auf den Prototyp zu schreiben.Oft sind die Benutzer gehemmt, auf die Prototypen zu schreiben.
  • Auf Computerfehler acht geben.Manchmal machen Computer (in diesem Fall Menschen, die den Computer simulieren) Fehler. Sollte dies passieren, muss der Computer durch dezente Hinweise darauf aufmerksam gemacht werden.
  • Man muss auf Unvorhersehbare Aktionen der Benutzer vorbereitet sein.Ebenfalls oft kommt es vor, dass die Benutzer Dinge tun, die zwar theoretisch erlaubt sind, aber nicht vorgesehen waren und auf die es keine Folgeaktion mehr gibt. In diesem Fall kann der Test entweder neu gestartet werden, oder durch eine „zurück“ Funktion und einem entsprechenden Meldung, dass es hier nicht weiter geht, abgefangen werden.
  • Sollte der Test in einer Sackgasse stecken, sollte man eine Pause machen, bevor der Test wiederholt wirdIn solchen Fällen sollte man dem Benutzer auf jeden Fall klar machen, dass es sehr gut ist, was passiert ist, weil er einen größeren Design Fehler aufgedeckt hat. Dann muss, bevor der Test neu gestartet werden kann, genau geklärt werden wie es zu dem Fehler kam.

Die Beobachter hingegen sollten sich auf Folgendes beschränken

  • Anwesenheit über die komplette Dauer des Tests
  • Ruhe bewahren während der Benutzer arbeitet
  • Auf die eigene Körpersprache achten
  • Keine Hilfe geben
  • Keine Design Fragen stellen (Benutzer sind keine Designer!)
  • Datenschutz beachten

6. Abschließende Bemerkung

Paper Prototyping ist eine sehr nützliche Technik, die die Designarbeit um ein vielfaches vereinfachen kann. Allerdings ist es auch nur eine Technik unter vielen anderen, die heutzutage im Benutzer orientierten Design angewandt werden.

Die Entscheidung, Paper Prototyping zu benutzen, ist für jedes Produkt anders.

Es gibt auch viele andere Möglichkeiten, die Usability ohne aufwendige Tests hoch zuhalten. Doch ab einer gewissen Komplexität wird gerade immer wieder zu Paper Prototyping gegriffen, weil es wohl gegenwärtig das beste „Preis-, Leistungsverhältnis“ bietet.

„Paper Prototyping kann ihnen helfen, große Frustration zu vermeiden, indem es Anwendungen verbessert, die sie designen, bevor sie anfangen haben, zu implementieren. Früher verkannt, hat Paper Prototyping während den 90'er Jahren große Zustimmung erfahren und wird jetzt in den meisten gut bekannten Firmen benutzt.“[4]

Literaturverzeichnis:

[1] Snyder Carolyn. 2003. Paper Prototyping: The Fast and Easy Way to Design and Refine User Interfaces

[2] Rudd, J.,K. Stern, und S. Riihiaho. 1996. Low vs. Hight Fidelity Prototyping debate. Interactions January: 75-85

[3] http://www.medien.ifi.lmu.de/lehre/ws0607/mmi1/mmi-uebung4.pdf

[4] http://today.java.net/pub/a/today/2003/12/23/sixSigns.html

[5] http://guir.berkeley.edu/courses/SummerHCI04/readings/Paper%20Prototyping.htm

[6] http://www.infodesign.com.au/usabilityresources/design/paperprototypinggraphics.asp

stand der Webseiten: Januar 2007

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